Zoff und Einigkeit in der Sonderratssitzung

Beschleunigtes Verfahren nach Paragraph 13b oder nicht - Das ist die Frage, die Rat und Stadtverwaltung beantworten müssen. Unterstützen soll nun ein Rechtsgutachten, das in diesen Tagen in Auftrag gegeben wird.

Rechtssicherheit schaffen – das ist das Anliegen der CDU-Fraktion in Halver und war der Grund für die Beantragung einer Sonderratssitzung zum geplanten Baugebiet Herksiepe/Schillerstein. Am gestrigen Dienstag – 17. Januar – tagte der Rat der Stadt Halver nun im Feuerwehrgerätehaus an der Thomasstraße, auf den Zuschauerrängen rund 20 Bürger, die zum größten Teil als Anwohner betroffen sind von den Planungen.

Rechtssicherheit soll nun auch geschaffen werden. Der Rat folgte dem CDU-Antrag, die Kanzlei Wolter Hoppenberg aus Hamm mit der Erstellung eines aufklärenden Gutachtens zu beauftragen, womit der Sach- und Rechtsstand und somit das weitere Verfahren in der Angelegenheit eindeutig dargelegt werden kann. Ergänzt wurde der Ratsbeschluss durch einen in der Sitzung vorgelegten Antrag der SPD-Fraktion.

Der Ausgang der Sondersitzung wäre an dieser Stelle eigentlich berichtet. Und vermutlich hatte sich das ein oder andere Ratsmitglied zu Beginn schon um 18 Uhr im Feierabend gewähnt. Bis das Gremium aber einstimmig für eine Beauftragung der Kanzlei – wohlgemerkt binnen der nächsten 48 Stunden – votierte, vergingen zweieinhalb Stunden.

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Zweieinhalb Stunden, in denen der eine sich fragte, ob der andere das Ökowohngebiet in der Verlängerung des Linger Wegs eigentlich tatsächlich noch will und in denen man beizeiten Gefahr lief, die eigentliche Frage gar aus den Augen zu verlieren. Zur Erinnerung: Die Entscheidung für Herksiepe/Schillerstein nach beschleunigtem Verfahren fällte die Politik bereits im Dezember 2019 mit einem Dringlichkeitsbeschluss. Mit einem Schreiben der Bezirksregierung vom August 2022, in dem „raumordnungsrechtliche Bedenken“ angemeldet wurden, entflammte die Diskussion um die Frage, ob das beschleunigte Verfahren nach Paragraph 13b weiter anzuwenden sei.

„Wir treten weder dominant noch devot auf“

Und so nutzte Kämmerer und Beigeordneter Simon Thienel die Ratssitzung, um einmal mehr zu bekräftigen, dass die Stadtverwaltung mit der „nötigen Leidenschaft“ an dem Baugebiet festhalte und arbeite. Allerdings wolle man in Kooperation mit der Bezirksregierung, den Anwohnern und dem Rat das Baugebiet erschließen, es gelte „Sorgfalt vor Schnelligkeit“. „Wir alle wollen, dass es gelingt. Aber wir alle wollen auch Rechtssicherheit und ein Baugebiet, das den Namen Öko verdient.“ Aus diesem Grund sei es der Verwaltung wichtig, Sorgen, Ängste und Nöte Ernst zu nehmen. „Wir treten bei der Bezirksregierung daher weder dominant noch devot auf, sondern zeigen uns in der konstruktiven Mitte.“

Volles Haus zur Sonderratssitzung im Feuerwehrgerätehaus. Durch die Sitzung führte Armin Kibbert (SPD), der Bürgermeister Michael Brosch vertrat. Er erklärte sich selbst als befangen in der Sache und nahm im Besucherbereich (links) Platz. -Fotos: Kämper

Es folgte eine ausführliche Ausarbeitung von Peter Kaczor und Sarah Dietzel (Bauleitplanung, FB 3), in der die Chronologie des Baugebietes ebenso dargestellt wurde, wie die schrumpfende Bevölkerungszahl in Halver und eine Detailauswertung über das Siedlungsmonitoring und die Flächenbereinigung.

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Kritik an den Auslegungen der Verwaltung übte unter anderem Dr. Sabine Wallmann (UWG), die Peter Kaczor zitierte, den Paragraphen 13b „nicht in strukturschwachen Gebieten“ anzuwenden. Wallmann: „Von Strukturschwäche kann hier aber doch gar keine Rede sein, Südwestfalen ist eine der stärksten Wirtschaftsregionen in NRW.“ Man könne ländlich nicht per se mit strukturschwach gleichsetzen. Unternehmen und deren Mitarbeiter hätten sich für eine Zukunft in Halver entschieden. „Wir werden es nicht hinbekommen, wenn man uns in dieser Weise weiter stranguliert“, lautete Wallmanns Botschaft an die Bezirksregierung, die keinen Handlungsbedarf für die Ausweisung neuer Wohnbauflächen in Halver sieht. Wenn Unternehmen nicht die Möglichkeit hätten, ihren Mitarbeitern Baugebiete vorzuweisen, dann müsse man sich nicht wundern, „dass wir eine schrumpfende Kommune sind“.

„Das ist doch krank“

Dem pflichtete auch Benedikt Haake (UWG) bei, der ausdrücklich davor warnte, Halver nach außen als „zu Ende entwickelt“ zu bezeichnen. Das schrecke Unternehmen und auch Fachkräfte sicher ab. Martina Hesse (CDU): „Die Haltung der Bezirksregierung ist ein Abgesang auf unsere Region.“

Auf den Einwand aus der Verwaltung, bei schrumpfender Bevölkerung nicht mehr Wohnbebauung vorhalten zu müssen wie bei einer vergleichsweise stärkeren Bevölkerung vor 40 Jahren und stattdessen über alternative Wohnformen nachzudenken, platzte es aus Kristian Hamm (UWG) heraus: „Willkommen in der Planwirtschaft. Das ist doch krank.“

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Uwe Leinung (Grüne) versuchte in der Mitte der Sitzung den eigentlichen Grund der Zusammenkunft wieder in den Fokus zu rücken: den CDU-Antrag und die Schaffung von Rechtssicherheit. Er merkte zur Diskussion um Flächennutzungspläne und Ausgleichsflächen an: „Eine Anpassung des Flächennutzungsplanes muss nach 13b im Vorhinein nicht geschehen, das kann die Kommune im Nachhinein anpassen. Das ist doch der Vorteil.“

„Ich habe diesen Auftrag geerbt“

Harsche Kritik übte Sabine Wallmann zudem an Peter Kaczor, der Gerichtsurteile des VGH München und des OVG Lüneburg zum Paragraphen 13b heranzog. Wallmann: „Man muss in solche Urteile schon mal reinschauen, bevor man sie zitiert. Der Sachverhalt in München beispielsweise ist etwas völlig anderes als wir hier diskutieren. Es ist unprofessionell, das hier auf diesen Sachverhalt zu beziehen.“

„Grundlegend verwirrt“ über die Ausführungen der Stadtverwaltung zeigte sich indes Dr. Jana Schrage (Grüne): „Ich habe mich ja ohnehin schon schwer getan mit der Zustimmung. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass Sie zwar sagen, sie wollen [das Baugebiet], aber dann argumentieren Sie ausführlich dagegen.“ Das wiederum wertete Simon Thienel als „Unterstellung“ und entgegnete: „Wir haben einen politischen Auftrag und dem müssen wir uns stellen. Ich habe diesen Auftrag geerbt.“

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Jürgen Wichert (SPD) fügte hinzu, es sei „an den Haaren herbeigezogen, unserer Verwaltung Verhinderung vorzuwerfen.“ Wichert empfand, ebenso wie viele seiner SPD-Kollegen, die Ausführungen der Verwaltung als hilfreich.

„Gutes Benehmen mit der Bezirksregierung“

Einen Schlusspunkt setzte Klaus Brunsmeier (BUND), der als Besucher das Wort ergriff. Als Mitglied des Regionalrates gab er zu bedenken, dass das kommunale Selbstbestimmungsrecht zwar ein hohes Gut sei, er dem Rat und der Verwaltung aber „ein gutes Benehmen mit der Bezirksregierung“ empfehle. Denn auch wenn ihr kein Vetorecht in dieser Sache obliege – sollte es im Nachhinein doch mal zu einem Verfahren kommen, folge das Gericht erfahrungsgemäß der Bezirksregierung. Bedenken sollte man zudem die klimatischen Veränderungen und ihre spürbaren Folgen in den vergangenen Jahren. „Flächenversiegelung sollte nur noch da stattfinden, wo sie unvermeidbar ist.“

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