Schmickler läuft zu kabarettistischer Höchstform auf

Der Kabarettist Wilfried Schmickler lieferte einmal mehr auf der Bühne des AFG ab. Mit seinem neuen Programm begeisterte er gewohnt bissig sein Publikum. Lesen Sie auch das Interview.

Halver. Das Oberbergische hat sich für Wilfried Schmickler bereits zur zweiten Heimat entwickelt, und allmählich drängt sich der Eindruck auf, Halver stünde im Ranking des bekannten Kabarettisten diesbezüglich auch weit oben. Wie oft er in der Vergangenheit hier bereits aufgetreten sei, konnte Schmickler nicht exakt sagen, „mindestens drei Mal“, lautete die Antwort. Ganz offensichtlich fühlte Schmickler sich aber sehr wohl und wurde vom Publikum einmal mehr mit offenen Armen empfangen.
Streng genommen empfing er und das konnte man durchaus wörtlich nehmen: Kurz vor dem Aufritt stand Schmickler selbst am Eingang und begrüßte persönlich diejenigen, die in die Aula des Anne-Frank-Gymnasiums strömten, um sein aktuelles Bühnenprogramm „Es hört nicht auf“ zu erleben.

Die Aula war unter Berücksichtigung pandemiebedingter Abstände voll besetzt. In jedem Fall ideal für Kabarett, denn ein Saal mit 200 oder 300 Zuschauern biete die besten Voraussetzungen, damit Kleinkunst funktioniert, erklärt der Kabarettist vor seinem Auftritt.

Schmickler ließ es sich nicht nehmen, sein Publikum persönlich zu begrüßen. -Fotos: Klümper

Und dieser Auftritt hat funktioniert: Das Publikum, das bis auf wenige Ausnahmen zur selben Generation wie der Künstler auf der Bühne angehörte, genoss einen Wilfried Schmickler, der in manchen Passagen durchaus an seine Fernseh-Auftritte in den „Mitternachtsspitzen“ erinnerte. Das Programm hatte einen erheblichen musikalischen Anteil und bewies obendrein eine Bandbreite humoristischer Stilrichtungen.
Nicht, dass nach diversen TV-Aufritten in Frauenkleidern Zweifel an seiner Fähigkeit zu derber Komik bestanden hätte, beeindruckte der 67-jährige Wahl-Oberberger doch mit feinem Wortwitz, in dem sich „150 Schafe in die Wolle kriegen“ genauso wie mit den bekannten Stakkati im Stil einer Kampfansage. Gänzlich unpolitisch ist Kabarett eher selten, und die Abkehr von der Tagespolitik schützt die bekannten Persönlichkeiten der Legislative nicht davor, ihr Fett abzukommen. Für die AfD und ihre Anhänger war die Wortwahl nicht besonders schmeichelhaft, differenziert hingegen ging er mit Protagonisten um, die nicht in eine der zahlreichen Skandale um zweifelhafte Doktorarbeiten verwickelt waren.
Zwischen den Zeilen war für manche Figur, die von Schmickler persifliert wurde, Hochachtung und Respekt zu lesen. Der scheidenden Bundeskanzlerin, liebevoll „brave Raute Nimmersatt“ genannt, bescheinigt er durchaus Erfolg, mit ihrer ruhigen Art derart lange die Parteigeschicke geleitet zu haben. Eine andere Persönlichkeit mit dem gleichen Parteibuch wurde hingegen als „Schnullerschnute aus dem Hochsauerland“ tituliert.

Den Plänen einer rechten Gruppierung, sich „ihr Land zurückholen zu wollen“ drohte Schmickler, „in einer Burka durch meinen kleinen Garten im Oberbergischen zu hüpfen“ und dieses keinesfalls herzugeben.

Auch auf der Bühne war die Pandemie ein unvermeidliches Thema, welches offensichtlich autobiografisch umgesetzt wurde. Schmickler gehört nicht zu den Kabarettisten oder Komikern, die ihre Frau durch den Kakao ziehen. Doch ihr Geschenk zum Zeitvertreib, ein Puzzle nach einem Triptychon von Hieronymus Bosch, traf wohl nicht ganz den Geschmack des Hausherrn. „Der Garten der Lüste“ mag spannend anzusehen sein, zerlegt in 2000 Teile wirke er anscheinend nicht beruhigend.

Kurzum: Die verschiedenen Gangarten der Unterhaltung wurden vom Publikum mit schallendem Gelächter und einer Menge Applaus quittiert. Zwei Stunden inklusive Pause dauerte der Auftritt, von denen Wilfried Schmickler nach langer Pandemie-Zwangspause derzeit ziemlich viele zum Besten gibt. Übrigens bereits in einer guten Woche in unmittelbarer Nähe: Am 6. November tritt der Kabarettist auf Einladung des KuK-Vereins in der Meinerzhagener Stadthalle auf.
Erleichtert über den reibungslosen Ablauf zeigte sich Halvers Kulturbeauftragte. Inge Zensen hat die Veranstaltung maßgeblich organisiert und dankte den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, ohne die so ein Abend nicht möglich sei. Dringender Appell an die Besucher: Den Mitmenschen zu erzählen, dass es mit kleinen Einschränkungen wieder möglich sei, Kultur zu erleben. Auch, wenn Corona noch immer präsent ist und diverse Sicherheitsauflagen erforderlich macht: Einem unterhaltsamen Abend mit einem gelungenen Bühnenprogramm stehen die Viren nicht entgegen.

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INTERVIEW MIT WILFRIED SCHMICKLER

LokalDirekt-Mitarbeiter Markus Klümper traf Wilfried Schmickler vor der Vorstellung im AFG zum Interview.

Im Interview mit LokalDirekt gibt sich Wilfried Schmickler überhaupt nicht dogmatisch, eher zurückhaltend und bescheiden. Mit Tagespolitik beschäftige er sich in seinem eigenen Bühnenprogramm eh nicht mehr so viel, erklärt der 67-Jährige im Gespräch. Dem bekannten Kabarettisten gefällt es, auf der Bühne zu stehen, seine Meinung zu den Dingen zu formulieren und vor dem Publikum vorzutragen:

Schmickler: „Für mich gibt es nichts Größeres, als dass die Leute hinterher rausgehen und sagen, dass sie einen schönen Abend gehabt haben. Ich will niemanden von irgendwas überzeugen, ich bin nicht schlauer als die Zuschauer. Die lesen dieselben Zeitungen wie ich, die sind genauso informiert wie ich. Aber ich habe vielleicht einen anderen Umgang damit, bringe das gerne auf die Bühne und freue mich, wenn die Leute das gut finden.“

Sie sprechen gelegentlich über Ihren Garten im Oberbergischen, haben diesen auch in Ihr Programm eingebaut. Es heißt aber, Sie würden in der Kölner Südstadt wohnen. Ist die Südstadt so grün, dass Sie die schon zum Oberbergischen zählen?

Schmickler: „Ich habe einen Garten bei Nümbrecht, wo ich die Corona-Zeit verbracht habe. Eine Tante meiner Frau wohnt dort, und wir kümmern uns um das Haus und den Garten.“

Das Bergische Land und das Sauerland sind sich in vielen Punkten doch sehr ähnlich, aber es gibt auch einige Unterschiede. Ist das ein anderer Menschenschlag im Oberbergischen? Können Sie da etwas beobachten?

Schmickler: „Mir fällt da überhaupt nichts auf. Inzwischen glaube ich, dass durch die Medien und die Mobilität der Menschen die regionalen Unterschiede ein bisschen eingeebnet worden sind. Ob jemand freundlich oder unfreundlich, tolerant oder intolerant ist, das hängt nicht davon ab, wo er lebt oder geboren worden ist. Ich komme mit meinen Nachbarn im Oberbergischen gut klar und trinke gerne mal ein Bier mit denen. Ich fühle mich da sehr wohl in dem Dorf, ich bin da gerne. Ich kann aber auch nicht ohne die Stadt, ich muss dann irgendwann auch mal wieder in die Stadt und viele Menschen treffen.“

Sie sprachen das Thema Belastung an. Fernsehauftritte sind sicherlich auch mit großen Belastungen verbunden. Hat das Ende Ihres Engagements bei den Mitternachtsspitzen für Sie eine spürbare Entlastung mit sich gebracht?

Schmickler: „Wir haben ja dort nicht aufgehört, weil uns die Belastung zu groß war. Es war einfach an der Zeit, dass junge Kollegen die Chance bekommen, ihre eigenen Ideen zu entwickeln. Da kann man nicht bis in alle Ewigkeit den Sendeplatz besetzen. Und die neuen Kollegen machen das richtig gut.
Aber Fernsehen ist viel Arbeit. Das war schon ein enormer Druck. Da gucken eine Million, manchmal sogar 1,2 Millionen Menschen zu, zu denen habe ich aber keinen Kontakt. Bei meinem Bühnenprogramm erlebe ich die Reaktionen des Publikums hautnah. Und das ist mir sehr wichtig.

Ist Kabarett in einem Saal mit mehreren hundert Menschen im Publikum also eine willkommene Abwechslung zum Fernsehen?

Schmickler: „Das ist der Wesenskern meiner Tätigkeit. Ich komme aus der Kleinkunst, und die Kleinkunst heißt deshalb so, weil sie in einem kleineren, sehr unmittelbaren Rahmen stattfindet. Und nur so funktioniert das.

Sind Ihre Auftritte als Loki Schmidt oder Angela Merkel verkleidet nun Schnee von gestern? Vermissen Sie diese Figuren oder gibt es Hoffnung, diese nochmal auf der Bühne erleben zu können?

Schmickler: „Da muss schon viel zusammenkommen, dass ich nochmal ein Frauenkleid anziehe, also… meine Frau möchte das nicht mehr. Die fand das schon immer doof, vor allem wenn ich als schrille Figur wie die Geissen im String-Tanga auftrat. Dann war sie immer sauer und meinte, ich sei zu alt, um als Travestie-Künstler auf die Bühne zu gehen. Mir hat es eine ganze Weile Spaß gemacht, ich habe Spaß am Quatsch, an der Verkleidung. Und mit Uwe Lyko ging das wunderbar. Aber das werde ich nicht mehr machen. Alles hat seine Zeit.

Viele Künstler nehmen ihr Erreichen des Rentenalters zwar zur Kenntnis, denken aber überhaupt nicht an den Ruhestand. Warum es so unüblich, dass Kabarettisten, Schauspieler und Musiker einfach ein Leben ohne Arbeit genießen?

Schmickler: „Es gibt schon einige Kollegen, die aufgehört haben. Viele fahren im Alter auch kürzer, und das ist auch richtig so. Wenn man es kräftemäßig nicht mehr so schafft. Nicht die zwei Stunden auf der Bühne, sondern die Anfahrt, den Verkehr, den Stress um die Veranstaltung herum, der belastet einen doch intensiver als mit 30 oder 40 Jahren. Da muss man sich schon um seine Gesundheit, auch um seine geistige Gesundheit kümmern.
Ich bin aber noch an dem Punkt, an dem ich Spaß dabei habe, und wenn ich an Orte komme wie hier, und sehe, mit wie viel Engagement und Herzblut die Veranstaltung organisiert wird, egal ob die Techniker oder die Chefin, die sich so viel Mühe gibt und so freundlich ist, dann weiß ich, das macht Sinn.

Vielen Dank für das Gespräch.

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