Seit der Haushaltseinbringung im Dezember vergangenen Jahres spielt das umfangreiche Zahlenwerk bei der Halveraner Verwaltung ebenso wie in der Politik eine große Rolle. Wenn am 21. Februar der Rat der Stadt Halver tagt, sollen die Lokalpolitiker über einen Haushalt abstimmen, der für das Jahr 2023 bindend ist. Als „Stimme der Bürger“ schauen sie deshalb genau hin, prüfen Investitionen, Einnahmen und Planungen und entscheiden ganz zum Schluss auch darüber, ob die Grundsteuer B – wie von der Verwaltung vorgeschlagen – angehoben wird, oder nicht.
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Um das komplexe Zahlenwerk verstehen und beurteilen zu können, kamen die Ratsfraktionen in den vergangenen Wochen zu Haushaltsklausuren zusammen und besprechen derzeit zudem detailliert einzelne Positionen in den Fachausschüssen.
Kurz vor der entscheidenden Ratssitzung hat LokalDirekt um einen Stimmungs-Zwischenstand bei den Fraktionsvorsitzenden gebeten. Wir haben ein Statement zum Haushalt und angestrebten Änderungen angefragt und möchten zudem wissen, wie die Fraktionen zu Steuererhöhungen stehen.
SPD: Reine Grundsteuer B-Anhebung nicht zielführend
Martin Kastner, Fraktionsvorsitzender der SPD in Halver, sagte auf LokalDirekt-Anfrage, seine Fraktion habe sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließende Meinung bilden können. Diese wollen die Sozialdemokraten nach den Fachausschusssitzungen gemeinsam fassen. Es gebe, so Kastner, „genug Diskussionspotenzial“. Während der Klausurtagung habe die SPD auch die Einnahmeseite besprochen. Dazu Kastner: „Wenn Steuererhöhungen nötig sind, um die Aufgaben der Stadt zu erfüllen, die sowohl politisch beschlossen sind als auch zum Erhalt der Infrastruktur beitragen, möchten wir das auf breite Schultern stellen.“ Man müsse aber auch die Ausgabenseite betrachten, deshalb seien die Fachausschüsse wichtig.
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Eine reine Anhebung der Grundsteuer B aber halte Kastner für „nicht zielführend“. Letztlich seien die finanziellen Aufgaben, die durch die Politik und den Erhalt der Erhalt der Infrastruktur erforderlich sind, auf Dauer nicht durch den Verkauf von städtischen Flächen zu bewältigen. Bürger und Firmen erwarteten eine intakte Infrastruktur und eine funktionierende Verwaltung, „und das muss auch bezahlt werden“, so Kastner.
CDU: Investitionen von 25 Millionen Euro sprengen den Rahmen einer Kleinstadt
„Nach der Haushaltsklausurtagung am 14. Januar mit Kämmerer Simon Thienel gab es viele offene Fragen und Diskussionsbedarf“, antwortet Marvin Schüle, Fraktionsvorsitzender der CDU. Klar war den Christdemokraten jedoch: „Bei einem Haushaltsdefizit trotz geplanter Steuererhöhung auf 590 Prozentpunkte, muss die Investitionsliste zum einen klarer strukturiert und zum anderen deutlich gekürzt werden. Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro sprengen einfach den Rahmen einer Kleinstadt wie Halver. Auch im Bereich des konsumtiven Haushalts besteht Sparbedarf.“
Um den Haushalt also „zu ändern“, habe die CDU interfraktionell mit allen Fraktionen in einer Mail an Bürgermeister Brosch gefordert, dass die Projektliste gegliedert werden müsse. Diese „modifizierte Projektliste“ liege der Politik mittlerweile vor, so Schüle, und wurde exemplarisch am Dienstag im Ausschuss für öffentliche Einrichtungen besprochen und diskutiert. „Meine Fraktion möchte abschließend in der Fraktionssitzung am kommenden Dienstag über diese Liste diskutieren, weil über das Wochenende noch Änderungen aus den Ausschüssen eingearbeitet werden.“
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Zu den geplanten Steuererhöhungen positioniert sich die CDU-Fraktion kritisch und habe diese auch innerhalb der Fraktion oftmals diskutiert. Für eine abschließende Position benötigten einige Fraktionsmitglieder allerdings noch weiteren Input, der beim Kämmerer sehr zeitnah als weitere Entscheidungsgrundlage eingeholt werden solle, so Schüler weiter.
Ausgaben im Bereich der Investitionen könnten in Zukunft nur mit einer strukturierten und aufgeräumten Projektliste reduziert und auch optimiert werden. „Es ist gut, dass wir durch den interfraktionellen Antrag aller Fraktionen nun erstmals eine derartig modifizierte Projektliste mit der Unterteilung in die verschiedenen Bereiche erhalten haben. Diese kann und soll jedoch gerne für zukünftige Haushalte weiter verfeinert werden“, sagt Schüle. Für eine abschließende Positionierung fehle es der CDU aber derzeit noch an „letzten Puzzleteilen“, weshalb sich die Fraktionsmitglieder in den vergangenen Ausschüssen zum Haushalt enthalten hätten. Schüle: „Die Enthaltungen waren allerdings stets Ausdruck unserer Abwägungen aller Vor- und Nachteile und unserer Kompromissbereitschaft.“
Grüne: Steuererhöhung trifft die Falschen
Der geplanten Grundsteuer B-Erhöhung stehen auch die Grünen in Halver skeptisch gegenüber. Dazu Matthias Clever, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen: „Die Grünen-Fraktion in Halver tut sich schwer mit der geplanten Steuererhöhung der Grundsteuer B und hält den Zeitpunkt für ungünstig.“ Zwar sehe sie durchaus die Notwendigkeit und hatte eine moderate Erhöhung in den vergangenen Jahren schon mal angeregt, aber: „Da ging es uns allen finanziell besser. Denn da mussten wir nicht die Coronakrise und den Ukraine-Krieg und die damit verbundene Inflation bewältigen.“
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Eine Steuererhöhung treffe die Falschen, sagt Clever. Konkret schaue er auf die Menschen, „die knapp über den Tellerrand schauen.“ Die Menschen, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten, „aber sonst keine Luftsprünge machen könnten“. Diejenigen, die als Mieter in einer Wohnung lebten und bei denen durch die Umlage auf die Nebenkosten diese Mehrkosten ungefiltert ankämen. „Wir halten das für sozial ungerecht.“ Die Fraktion frage sich daher, warum nicht eine Verteilung der benötigten Haushaltsmittel stattfinde und auch eine Erhöhung der Gewerbesteuer, die eine Gewinnsteuer ist, vorgenommen werde. Generell seien die Grünen derzeit aber gegen jede Art von Steuererhöhungen. Vielmehr müsste der Haushalt durch die Reduktion von Ausgaben ausgeglichen werden. „Solange keine Umverteilung und die soziale Gerechtigkeit nicht hergestellt wird, ist der Haushaltsentwurf für die Grünen nicht zustimmungsfähig.“
UWG: Müssen als Kommune unsere Hausaufgaben machen
„Die UWG-Fraktion wird keinem Haushalt 2023 zustimmen, der Erhöhungen der Grundsteuer A und B und/oder der Gewerbesteuer enthält. Steuererhöhungen sind in einer Zeit mit multiplen Krisen kontraproduktiv und inflationstreibend“, positioniert sich Dr. Sabine Wallmann, Fraktionsvorsitzende der UWG.
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Man dürfe den privaten Haushalten und Unternehmen nicht immer mehr Liquidität wegnehmen, Geld, das sie nicht nur zur Deckung des täglichen Bedarfs, sondern auch für Investitionen in die Zukunft benötigen, beispielsweise Investitionen in Energieeffizienz, Dekarbonisierung, aber auch für Produkt- und Verfahrensinnovationen im Unternehmen, so Wallmann.
Hinzu komme, dass bei der Grundsteuer eine große Reform für 2025 anstehe. „Viele Bürger haben bereits bei der Grundsteuererklärung erkannt, dass die errechneten Messzahlen steigen werden. Hier wissen wir heute noch nicht, welche Möglichkeiten die Kommunen haben, damit umzugehen. Jetzt schon einmal hier die Steuern zu erhöhen, halten wir auch aus diesem Grund für unlauter.“ Und schließlich könnten Bund, Länder und Gemeinden in 2022 Rekordsteuereinnahmen verzeichnen – „Halver hatte Gewerbesteuermehreinnahmen von über 50 Prozent bezogen auf den Plan“ – und auch für 2023 seien höhere Steuereinnahmen prognostiziert.
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„Bevor wir als ultima ratio Steuererhöhungen in Betracht ziehen, müssen wir als Kommune zunächst unsere Hausaufgaben machen.“ Dazu gehöre, in Organisationsabläufen digitaler und effizienter zu werden, Projekte zu priorisieren, Ausgaben zu kontrollieren, teure Energie einzusparen und Erträge zu erhöhen.
Einen Schwerpunkt legt die UWG auf die Bildungspolitik. „Wenn wir von den Schulleitungen derzeit hören, dass WLan-Netze immer noch nicht stabil laufen und die Bestellungen aus dem Digitalpakt nach über zwei Jahren immer noch nicht in den Schulen angekommen sind, fehlt uns dafür jegliches Verständnis. Digitalisierung in den Schulen muss absolute Priorität haben.“
Im Finanzarbeitskreis hatte die UWG noch einmal eine Priorisierung von Bau-Projekten angefordert, die mittlerweile vorliegt. „Erstens können wir nicht alles finanzieren und zweitens ist die Verwaltung mangels personeller Kapazitäten gar nicht in der Lage, alles abzuarbeiten“, so Wallmann. Um Ausgaben in Zukunft reduzieren zu können, strebt die UWG „dringend“ [ein] professionelles Projektmanagement“ an. Zudem benötige es klare Verantwortlichkeiten, bessere Kommunikationsprozesse zwischen den Einheiten im Rathaus sowie ein systematisches Controlling und eine betriebswirtschaftliche und technische Rechnungsprüfung.
FDP: Kostensituation unter Kontrolle halten
„Der im Dezember vom Kämmerer eingebrachte und vom Bürgermeister bestätigte Haushalt ist aus der Sicht der FDP-Fraktion keinesfalls zustimmungsfähig“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Sascha Gerhardt im Namen der Halveraner Liberalen. Obschon die Stadt Halver im Bereich der Gewerbesteuern erheblich höhere Erträge erzielt habe als angesetzt wurden, sehe der Entwurf erhebliche Grundsteuererhöhungen vor. Die Gründe hierfür seien vielschichtig und nur teilweise nicht eigenverantwortet, so Gerhardt.
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So sei insbesondere die drastische Steigerung der Kreisumlage um 1,175 Millionen Euro anzuführen. Zugleich habe die Stadt Halver erhebliche Einbußen bei den Erträgen bezüglich der Abwasserbeseitigung hinzunehmen, „da die von der Stadt Halver angesetzten Zinsen deutlich zu hoch angesetzt worden seien und der Haushalt „jahrelang quer subventioniert wurde.“ Hinzu käme eine deutlich höhere Zinsbelastung von mehr als 500.000 Euro.
Trotz der drastisch erhöhten Zinsen weise der Haushalt des Jahres ein Investitionsvolumen von über 30 Millionen Euro auf. Die Investitionen, so Gerhardt, seien vollständig kreditfinanziert, so dass sich in der mittelfristigen Finanzplanung eine erwartete Steigerung der Zinsbelastung auf 1,232 Millionen Euro ergebe. Die von der Verwaltung angestrebten acht zusätzlichen Planstellen schlügen mit mehr als 600.000 Euro zu Buche.
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„Würde der vorgelegte Haushalt durch die Politik verabschiedet, wie er eingebracht wurde, so wäre Halver innerhalb kürzester Zeit finanziell vor die Wand gefahren“, lautete das Statement Gerhardts. Aus diesen Gründen sehe die FDP-Fraktion auf vielen Ebenen dringenden Veränderungsbedarf, um das Jahresergebnis aber auch die Ergebnisse der mittelfristigen Finanzplanung zu verbessern. Die geplanten Investitionen könnten nicht in der vorliegenden Höhe getätigt werden. Es bedürfe deutlicher Kürzungen, so die FDP.
Investitionen müssten insbesondere im Bereich der Schulen, der Verkehrsinfrastruktur, im Bereich Kinder und Jugend sowie ökologischer Maßnahmen getätigt werden. Darüber hinaus seien Investitionen im Bereich der Pflichtaufgaben erforderlich. Alle anderen Bereiche müssten einer kritischen Analyse unterworfen und gegebenenfalls entweder geschoben oder sogar gestrichen werden, „wenn sich die Notwendigkeit der Investition nicht zwingend darstellen lässt“.
Investitionen in die Infrastruktur der Feuerwehr seien vor dem Hintergrund gesetzlicher Verpflichtungen (Brandschutzbedarfsplan) zwingend erforderlich. „Die exponentielle Steigerung der Kosten bei der Errichtung des Feuerwehrgerätehauses Anschlag macht aber deutlich, dass bei zukünftigen Projekten durch die Politik viel mehr Leitplanken eingezogen werden müssen, um die Kostensituation unter Kontrolle zu halten“, so Gerhardt.
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Um die Stadt für Bürger aber auch für Unternehmen attraktiv zu halten, werden weiterhin Baugebiete und Gewerbegebiete ausgewiesen werden müssen, meint die FDP. Wer dies negiert, lege die „Axt an die Zukunftsfähigkeit der Stadt Halver“. Die FDP-Fraktion sei davon überzeugt, dass diese Maßnahmen im Einklang mit den ökologischen Erfordernissen gelingen könnten, wenn die Rahmenbedingungen hierfür geschaffen würden.
Die geplanten Steuererhöhungen seien in der vorgesehen Höhe aus verschiedenen Gründen unangemessen, so Gerhardt weiter. Die Darstellung des Bürgermeisters, dass sich die Bürger nicht angemessen an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt Halver beteiligt haben, sei zurückzuweisen. Inwieweit eine Anhebung der Grundsteuer B auf den fiktiven Hebesatz 493 Prozent geboten sein könne, werde derzeit noch von der Fraktion geprüft, eine Anhebung der Gewerbesteuer lehnt die FDP indes strikt ab.
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