Auch an Meinerzhagen sind die aktuellen Krisen (Stichworte: Pandemie, A45-Umleitung, Bahnausfall durch Hochwasser, Ukraine-Krieg) sicherlich nicht vorbei gegangen. Wie ist die Stadtverwaltung mit den Folgen umgegangen?
Jan Nesselrath: Tatsächlich ist keines der Kapitel, die Sie nennen, bis jetzt abgeschlossen und die Entwicklungen sind noch mitten im Fluss. Das Krisenmanagement läuft quasi ohne Unterbrechung und das bedeutet, dass wir uns fast täglich auf neue Situationen einstellen. Dabei stimmen wir uns eng mit den übergeordneten Behörden ab und wir sind natürlich auch im Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Betroffenen, hören ihnen zu und sind für sie da, um schnell und effektiv Hilfe leisten zu können. Das ist unsere oberste Priorität.
Gab es etwa Maßnahmen gegen die spürbare Abwanderung von Arbeits- und Fachkräften?
Traditionell ist Meinerzhagen ein sehr starker Wirtschaftsstandort mit guten Arbeitsplätzen. Aber wenn jemand jeden Tag mit den unsäglichen Verkehrsbedingungen konfrontiert wird, ist es wirklich nachvollziehbar, wenn er oder sie sich umorientiert, zumal der Arbeitsmarkt zurzeit sehr offen ist. Dem wollen wir entgegenwirken, und zwar im engen Austausch mit den Arbeitgebern hier vor Ort. Mit ihnen arbeiten wir jeweils spezifisch an Lösungen, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehalten oder neu gewonnen werden können. Dafür setzt sich von unserer Seite das Team der Wirtschaftsförderung ein und initiiert zusätzlich noch weitere übergeordnete Maßnahmen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort als Ganzes.
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Wird gegen die Ladenleerstände – zugegeben nicht so drastisch wie Kierspe – etwas unternommen?
Ja natürlich. Den Trend im Einkaufsverhalten sehen wir ja allerorts, aber selbstverständlich sind die Grundversorgung, ein abwechslungsreiches Geschäfts- und Gastronomieangebot und damit auch eine attraktive Innenstadt wesentlich für eine lebendige Stadt. Auch hier ist unsere Wirtschaftsförderung im Zusammenspiel mit den Immobilieneigentümern und den Wirtschaftstreibenden am Werk, vermittelt und initiiert neue Vermietungen. Daneben spielen noch andere Faktoren eine wichtige Rolle für Neuansiedlungen. Dazu gehört allem voran eine attraktive Innenstadt, für deren Aufwertung wir in den vergangenen Jahren enorm viel erreicht haben und mit dem Neuen Innenstadtquartier weiter am Ball sind. Wir brauchen einen guten Mix an Geschäften und die entsprechende Kaufkraft, und die erreichen wir, indem wir Meinerzhagen insgesamt als Stadt und als Wirtschaftsstandort profilieren.
Das Mobilitätskonzept der Grünen wurde von Rat abgelehnt, das vom Land geförderte Mobilitätsprojekt „Meinerzhagen on demand“ wird aber vermutlich – schon wegen der Höhe der damit verbundenen Summe – angenommen. Ist das nicht inkonsequent und janusköpfig?
Zunächst einmal hilft es an dieser Stelle nicht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. „Meinerzhagen on demand“ ist ein Projekt der Märkischen Verkehrsgesellschaft im Zusammenspiel mit dem Märkischen Kreis und dem Land NRW als Fördermittelgeber, das hier in Meinerzhagen umgesetzt wird. Der Rat der Stadt Meinerzhagen ist an dieser Stelle nicht involviert. Wir sprechen also auf der einen Seite von einem aktiv in der Umsetzung befindlichen Projekt, auf der anderen Seite von einem theoretischen Konzept. Der Versuch, diese beiden zu vergleichen, funktioniert schlicht nicht. Von „Inkonsequenz“ oder „Janusköpfigkeit“ kann demnach auch nicht die Rede sein. Im Übrigen steht es mir nicht zu, Beschlüsse des Rates zu bewerten.
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Können nicht auch die Klimaschutzziele noch deutlich gesteigert werden – Stichwort: Windenergie und Photovoltaik?
Zum Thema Klimaschutz haben wir vor zwei Jahren gemeinsam mit anderen Kommunen im Märkischen Kreis im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundes ein Konzept erarbeitet, das auf über 250 Seiten detailliert festhält, was wo getan wird und noch getan werden muss. Darin kommt ganz deutlich zum Ausdruck, dass Meinerzhagen seit Jahren ganz weit vorne ist, weil wir konsequent am Thema dran sind. Die weitere Umsetzung erfolgt genauso konsequent weiter, und dafür haben wir auch seit einem Jahr einen Klimaschutzmanager an Bord, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Hinzu kommt eine große Anzahl an Informationsveranstaltungen und Angeboten an die Bürgerinnen und Bürger, denn viele wollen ihrerseits etwas fürs Klima tun und darin wollen wir sie unterstützen. Ich denke, es wird sicher noch weitere Entwicklungen geben, die auch in Richtung Windenergie und der Photovoltaik gedacht werden. Wir können heute aber feststellen: Der Zug rollt, und das tut er gut.
Wie ist der aktuelle Stand bei der Planung/Bauvorbereitung zum Innenstadtquartier als Soziokulturelles Zentrum? Kann es verhindert werden, dass sich die Baukosten – auch hinsichtlich der hohen Inflation – nicht in schwindelerregende Höhen schrauben?
Der aktuelle Stand ist nach wie vor der, dass die Ausschreibung läuft und wir mit verschiedenen potenziellen Investoren im Gespräch sind. Wir sind guter Dinge, dass wir die Verhandlungen zu einem guten Abschluss bringen und dann die Umsetzung beginnen. Die Baukosten sind zwar gerade sehr hoch. Wir hoffen aber, dass sie auch wieder zurückgehen. Aber wie auch immer – was wäre die Alternative? Es ist doch ganz klar: Stillstand ist Rückschritt, und das Projekt Neues Innenstadtquartier ist nicht nur schon sehr weit gediehen, sondern auch wichtig für die Zukunft unserer Stadt und der Region.
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Auffallend bei den Ratssitzungen war es, dass offenbar ein Kultur des Durchnickens besteht. Debatten, gar hitzige, scheinen in Meinerzhagen nicht wirklich stattzufinden. Worauf führen Sie das zurück?
Dass es im Rat nicht oft hitzige Debatten gibt, heißt bei weitem nicht, dass hier alles „durchgenickt“ wird – das würde wohl weder meinem noch dem demokratischen Grundverständnis der Ratsmitglieder entsprechen. Im Gegenteil, ich denke, in der konsensualen und offenen Kommunikation kommt die gute Vorarbeit in den Ausschüssen zum Tragen. Dort kommen die Fachleute aus Rat und Verwaltung zusammen und behandeln die Themen vorab, so dass diese bereits vorbereitet in die Ratssitzung eingebracht werden. Das halte ich im Übrigen für ein gutes Vorgehen, denn hier wird die Sachkompetenz gebündelt. Wäre es anders, müssten wir die Sinnhaftigkeit der Ausschüsse in Frage stellen, und das wäre doch ein sehr erstaunliches Fazit. Also: Es geht hier nicht ums „Durchnicken“, sondern um eine umfassende, sachgerechte Vorbereitung und damit um effektives, zielorientiertes Arbeiten für unsere Stadt.
Welche Ziele verfolgen Sie für 2023 und wie realistisch werden diese sein?
Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass wir auch in 2023 viel Energie auf die Bewältigung der verschiedenen Krisen verwenden werden. Daneben ist eines meiner zentralen Ziele die weitere Umsetzung des Projekts Neues Innenstadtquartier und, natürlich, die ganzheitliche Entwicklung unserer Stadt so, dass man hier gut leben und arbeiten kann. Dazu gehören Infrastrukturthemen, Bildung und Gesundheit, der Faktor Wirtschaftskraft und Nachhaltigkeit. Hielte ich davon etwas für nicht realistisch, würde ich es nicht angehen. Im Gegenteil: Ich baue darauf, dass wir an diesen Stellen trotz schwieriger Rahmenbedingungen auch im nächsten Jahr gemeinsam gut vorankommen.
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