Muslimischer Friedhof: Nezahat Baradari im Interview

Am 24. Oktober entschied der Rat per Beschluss, dass in Meinerzhagen kein muslimischer Friedhof entstehen werde. Für viele eine "herbe Enttäuschung". Gegenüber LokalDirekt äußerte im Interview auch die Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari ihre Bedenken.

„Warum können meine Kinder mich nicht am Grab besuchen? Ihr gebt uns keine Möglichkeit, in Frieden Abschied zu nehmen“. Auch Tage nach dem Beschluss des Rates, keinen muslimischen Friedhof in Meinerzhagen zuzulassen, ist Erkan Polat (48) verärgert.

Seine drei Kinder sind hier geboren. Sie sind die dritte Generation, die hier lebt, zur Schule gegangen ist, arbeitet und Steuern zahlt. Und für Erkan Polat wie für viele andere ist klar: sie wollen auch hier begraben werden. „Völlig zu Recht“, meint auch SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari. Der Ratsbeschluss vom 24. Oktober sei 60 Jahre nach dem Anwerbeabkommen mit der Türkei „eine herbe Enttäuschung für die in Meinerzhagen lebenden Muslime“, kommentierte sie unter dem LokalDirekt-Artikel zur Ratssitzung auf Instagram.

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Frau Baradari, seit mehr als 60 Jahren leben Muslime, vor allem Türken, hier. Aber bestatten können sie ihre Angehörigen nicht nach ihren Regeln. Was ist da schief gelaufen?

Nezahat Baradari: Man hat sich auseinandergelebt. Es gab schon mal ein besseres Miteinander. Es ist auch ein Symbol dafür, wo sich manche Gesellschaften hinbewegen.

Selbst die, die hier geboren sind und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, fühlen sich behandelt wie Durchreisende. Integration sieht anders aus.

Nezahat Baradari: Ganz sicher. Dass Muslime hier verschwinden, ist nicht zu erwarten.

Fordert Gleichbehandlung: Nezahat Baradari (MdB). – Foto: Rüdiger Kahlke / LokalDirekt

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In Meinerzhagen werden rechtliche Gründe angeführt, die einem muslimischen Friedhof entgegen stünden. Wäre es da nicht an der Zeit, mögliche Hürden abzubauen. Müsste da nicht der Gesetzgeber aktiv werden?

Nezahat Baradari: Man hört immer wieder die gleichen Argumente. Dann muss man den Muslimen auch die Möglichkeit geben, eine Körperschaft öffentlichen Rechts zu werden. Auch wenn man nicht jeder Strömung (religiösen, die Red.) nachgeben kann. Für die verschiedenen religiösen Gruppen in der Bundeswehr gibt es auch Seelsorger wie ein Militärrabiner, für die große Gruppe der muslimischen Soldaten/innen nicht. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Es gibt verschiedene religiöse Organisationen und es ist unabdingbar, dass sie sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Dann gibt es keinen Grund, Muslime auszuschließen. Sie zahlen hier auch ihre Steuern. Da wird wiederum nicht unterschieden. Es wäre schon eine Aufgabe, das im Bundestag anzugehen und Mitstreiter für die Gleichbehandlung zu suchen.

Die Vertreter der DITIB-Gemeinde haben aber auch nicht auf diese Ungleichbehandlung hingewiesen.

Nezahat Baradari: Die Muslime sind oft nicht so gut organisiert. Sie haben nicht so starke Sprachrohre wie es etwa der Zentralrat der Juden ist. Sie bräuchten jemanden an der Spitze. Diese helfende Hand fehlt. Die alevitische Gemeinde hat es erreicht, als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Das sollte Ziel der Politik sein.

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Die CDU Meinerzhagen verweist darauf, dass es in NRW keinen muslimischen Friedhof gebe. Darf eine Kommune nicht auch mal Vorreiter sein?

Nezahat Baradari: Es gibt ja Beispiele etwa in Attendorn. Da funktioniert Kommunalpolitik pragmatisch und zielorientiert für die Bürgerinnen und Bürger. Hier gibt ein muslimisches Gräberfeld auf dem Friedhof. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und es soll in Wuppertal einen muslimischen Friedhof geben, übrigens direkt in der Nähe zu den christlichen und jüdischen Friedhöfen. Damit soll deutlich werden, dass Zusammenleben auch im Tod nicht endet. Mit einer Vorbildfunktion könnte Kommunalpolitik ja auch mal Pluspunkte sammeln.

Ein Problem scheint ja auch die Ewigkeitsregelung zu sein. Hier werden Gräber nach 30 Jahren eingeebnet, muslimische Gräber bleiben bestehen. Müssten sich Muslime hier vielleicht bewegen und sich hiesigen Gegebenheiten anpassen?

Nezahat Baradari: Ich denke, das ist eine theologische Frage. Das werden auch die muslimischen Gemeinden oder der Imam vor Ort nicht entscheiden können. Es gibt aber Beispiele in Holland oder Österreich, wo das funktioniert. Das wäre allemal besser als das Signal: Sterbt woanders. Ihr gehört nicht dazu. Das ist vor allem für die, die hier geboren sind, sehr schmerzhaft.

Besten Dank für das Gespräch, Frau Baradari.

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