Lüdenscheider Weihnachtsgeschäft: Händler ziehen Bilanz

Inflation, Energiekrise und die Sperrung der Rahmedetalbrücke legen einen Schatten über das Weihnachtsgeschäft der Lüdenscheider Einzelhändler. Im Gespräch mit LokalDirekt sehen viele aber auch Lichtblicke.

Das Weihnachtsgeschäft ist für den Handel der Endspurt. Auf Kalendern kommen die letzten Seiten zum Vorschein, der richtige Zeitpunkt, um Bilanz ziehen: War das Jahr umsatzstark oder war es ein Flop, geradezu existenzgefährdend? Und was sind die Ursachen dafür? Negative Einflüsse liegen auf der Hand, wie die Energiekrise und die hohe Inflation.

Besonders für Einzelhändler in der Lüdenscheider Innenstadt sind das nicht die einzigen Herausforderungen, allen voran steht die A45-Sperrung. LokalDirekt hat sich unter Kaufleuten umgehört. Die Erkenntnis: Die Stimmung ist nicht überall verhagelt, und die Inflation war nicht das vorrangige Problem.

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Die Umfragetour beginnt in einem Geschäft am Parkdeck „Turmstraße“. Hier hat Rudolf Klotzbücher vor rund 20 Jahren „die wohnstube“ von der Gründerin, Innenarchitektin Maresi Spies, übernommen. Damals gab es noch die typische Laufkundschaft, und mancher Artikel ging als Weihnachtsgeschenk über die Ladentheke. Dazu zählten viele Accessoires wie Handtücher oder Nützliches für die Kaffeetafel. Von diesem Angebot hat sich Klotzbücher inzwischen getrennt, ohnehin kämen Kunden inzwischen überwiegend mit Termin. Oder der Händler zum Kunden nach Hause, um dort in Ruhe beraten zu können. Überhaupt haben sich das Geschäftskonzept und das Angebot geändert, sagt der Einzelhändler.

Rudolf Klotzbücher in seiner „Wohnstube“. – Foto: Markus Klümper / LokalDirekt

Dabei gibt sich Rudolf Klotzbücher wandlungsfähig und geht persönlich locker und optimistisch in die Zukunft. Allerdings mit klarer Meinung zur Vergangenheit und zur Haltung anderer Einzelhändler: „Das Jahr war absolut verrückt, aber für 2023 habe ich schon genug Aufträge“, bleibt Klotzbücher zuversichtlich. Diese Zuversicht wünsche er sich auch von anderen Händlern: weniger Pessimismus und mehr kreative Ideen. „Ich habe meine Öffnungszeiten verkürzt und fahre mit den Musterkoffern zu meinen Kunden“, erklärt der Händler. Damit habe das Thema Brückensperrung viel von seinem Schrecken verloren.

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Durchaus ein Denkansatz, den auch Jens Markes, Geschäftsführer des Juweliers Hohage, verfolgt. Der Juwelier warte nicht auf die Laufkundschaft, sondern sucht diese aktiv. Gemeinsam mit seiner Frau Astrid hat er ein weiteres Geschäft in Hemer übernommen, außerdem besuchen beide Events wie Hochzeitsmessen, wo sie hochwertigen Schmuck anbieten. Markes Erfahrungen und Beobachtungen hinsichtlich der Laufkundschaft sind ähnlich wie die der Wohnstube. Allerdings mit dem Unterschied, dass Uhren und Schmuck zu den besonders beliebten Geschenkartikeln zählen, insbesondere auch zu Weihnachten.

Zuwächse gab’s bei besonders edlem Schmuck und Luxusuhren; allerdings: Es fand deutlich weniger Laufkundschaft den Weg zum Juwelier Hohage. – Foto: Klümper

Jens Markes hat nach eigenem Bekunden schon viel in der Branche erlebt, aber so eine Situation noch nicht: In der Adventszeit fand kaum noch Laufkundschaft in das renommierte Geschäft, das sein Vater seinerzeit als Nachfolger der Gründerfamilie weitergeführt hat. Für Jens Markes und sein Team ergibt sich daraus eine kuriose Situation, denn einerseits sind die Umsätze in den unteren Preissegmenten zurückgegangen, andererseits gab es Zuwächse bei besonders edlem Schmuck und Luxusuhren. Für den „Juwelier Hohage“ gleicht sich das aus, und die Inflation ist für Markes bisher nicht entscheidend. Eher schon die Brückensperrung, weshalb die Kunden lieber zielgerichtet und nach vorheriger Terminvereinbarung ins Geschäft kämen.

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Für einen anderen Familienbetrieb derselben Branche sind die Erfahrungen mit der fehlenden Laufkundschaft ähnlich. Allerdings ist das im unteren Bereich der Wilhelmstraße angesiedelte Schmuck- und Uhrengeschäft genau auf diese Kunden angewiesen und ist nach dem Weihnachtsgeschäft spürbar verzweifelt. Namentlich genannt werden mögen sie nicht, zumal sie inzwischen mit dem Umfeld ihres Ladens hadern. Auch hier handelt es sich nach eigenen Angaben um ein Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung, die aber zumeist viel positiver war, als im diesjährigen Dezember.

Die Fußgängerzone in Lüdenscheid in der Vorweihnachtszeit. – Foto: Markus Klümper / LokalDirekt

Nach Einschätzung des Juniorchefs gebe es viele Versäumnisse, die Lüdenscheider Innenstadt attraktiver zu gestalten. Der Stadtverwaltung macht er schwere Vorwürfe: „Schon mehrfach sind meine Kunden gestürzt, weil die Fußgängerzone nicht vernünftig gepflastert ist. Außerdem ist hier alles so dunkel. Das sieht hier alles aus, als wäre es 500 Jahre alt.“ Positive Aspekte am diesjährigen Weihnachtsgeschäft kann er nicht finden, die Inflation sieht er aber nur als ein Problem von vielen. Bereits die Pandemie habe dem nun in dritter Generation geführten Betrieb sehr zugesetzt.

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Ebenfalls lieber anonym bleiben möchte die Besitzerin einer Boutique in der Oberstadt. Sie führt ihr Geschäft für Damenoberbekleidung seit Jahrzehnten, und hat sich nach eigenen Angaben einen zufriedenen Kundinnenstamm aufgebaut.

Doch die Damen kommen auch aus den umliegenden Städten. Da sind Shoppingtouren mit Fahrten verbunden, „die sich die Kundinnen dreimal überlegen würden“, so die Inhaberin. Sie hat in ihrem Berufsleben so manche Krise erlebt, die dem Handel die Umsätze verhagelt hat. Die Verkehrssituation sieht sie definitiv als Problem, noch vor der Inflation oder der Energiekrise.

Während man durch die vergleichsweise wenig frequentierte Innenstadt läuft, könnte man angesichts dieser Erfahrungsberichte pessimistisch werden. Doch LokalDirekt hat auch mit zwei Einzelhändlern gesprochen, die ein völlig gegensätzliches Bild zeichnen. Überhaupt wirkt ein Blumenhändler am Karussellplatz erfrischend zuversichtlich.

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Jeroen Jörning betreibt dort ein Blumengeschäft, und sieht diesbezüglich keinen Anlass, das Rad neu zu erfinden. Im Gegenteil: Jörning verkauft gemeinsam mit seiner Frau Frauke Walter Blumensträuße- und Gestecke, sowie allerlei artverwandte und dekorative Artikel. Das macht „der Holländer“ bereits seit 30 Jahren, und seit 2018 im eigenen Geschäft. In dem macht er gerne auch mal Faxen hinter der Ladentheke und zeigt sich mit dem Weihnachtsgeschäft rundherum zufrieden.

Auch Georgia Tourountza hat nach eigenem Bekunden mit ihrem Geschäft „Hellenic´s“ einen erfolgreichen Start absolviert. Die Inhaberin hat ihren Laden erst vor einem knappen Monat eröffnet und dabei offenbar eine Marktlücke gefunden. In der unteren Wilhelmstraße bietet sie griechische Feinkost, Weine, Biokosmetik und sogar Souvenirartikel aus ihrer Heimat an. Offensichtlich Produkte, die sich auch als Geschenkartikel gut eignen: „Mit unseren Präsentkörben kamen wir zeitweise überhaupt nicht mehr hinterher“, erzählt Tourountza von der Nachfrage.

Georgia Tourountza in ihrem Feinkostladen „Hellenic`s“. – Foto: Markus Klümper / LokalDirekt

Direkte Konkurrenz habe sich nicht, lediglich ein italienisches Feinkostgeschäft in der Nachbarschaft, dessen Sortiment sich in Teilbereichen ähnelt. Zufrieden sei die Unternehmerin nicht nur mit dem neuen Geschäft, denn als Franchisenehmerin betreibt sie zudem eine Bäckerei-Filiale der Kamps-Kette im Sterncenter. Hier seien die Umsätze höher als im Jahr zuvor. Unterm Strich sind weder Inflation noch die Brückensperrung oder gar die Gestaltung der Innenstadt ein Thema für sie.

So unterschiedlich wie die Geschäfte waren, in denen sich LokalDirekt umgehört hat, so unterschiedlich waren auch die Erfahrungen. Die Herausforderungen lassen sich nicht wegdiskutieren, auch wenn sie nicht jedes Unternehmen in gleichem Maße betreffen. Sicher ist allerdings: Die Inflation ist lediglich ein Aspekt dabei. Für den Einzelhandel keine einfache Situation, Kreativität und Engagement sind in hohem Maße gefordert.

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