Kleine Mahnwache und 150 „Spaziergänger“

Auch in Meinerzhagen haben sich heute Abend (10. Januar) rund 150 "Spaziergänger" versammelt. Wenige Meter daneben trafen sich einige Meinerzhagener zur Mahnwache.

Meinerzhagen. „Freiheit, Freiheit“, skandiert eine Frau aus den Reihen der Montagsspaziergänger auf dem Otto-Fuchs-Platz – ohne Maske. Abstand ist Glückssache. Ein paar Meter weiter an der Stadthalle: stilles Gedenken. Eine Gruppe hat Kerzen angezündet: symbolisches Licht, das Hoffnung machen soll, mit Impfen die Pandemie beenden zu können.

Etwa zwei Dutzend Meinerzhagener hatten sich spontan getroffen, nachdem im Abendgottesdienst am Sonntag ein Teilnehmer angekündigt hatte, eine Kerze anzuzünden. Den Impfgegnern, die auch in Meinerzhagen wiederholt unter dem Deckmantel eines „Spaziergangs“ ohne Anmeldung demonstrieren, wollten sie etwas entgegen setzen.

Die Kerzen der Mahnwache sollen Hoffnung machen, dass das Impfen der Pandemie ein Ende setzt. Foto: Rüdiger Kahlke

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Die kleine Gruppe hält sich an die Regeln. Die „Spaziergänger“, etwa 150, ziehen im Tross dicht an dicht los – ohne Maske. Die Ordnungskräfte haben kapituliert, beobachten nur. Polizei und Mitarbeiter des Ordnungsamtes begleiten die „Spaziergänger“. Man wolle „deeskalierend“ tätig werden, heißt es. Die Regeln auch durchzusetzen sei nicht möglich. Während die ersten „Spaziergänge“ noch ruhig verlaufen seien, bewerten Beobachter am Montagabend die Stimmung als aufgeheizter.

150 „Spaziergänger“ zogen in Meinerzhagen los. Foto: Rüdiger Kahlke

Ausgangspunkt für die Mahnwache war ein Statement in einer Abend-Kirche am Sonntag. Die Nachricht, eine Kerze anzuzünden, machte die Runde. Einige trieb die Neugier, andere der Wunsch, auch ein Zeichen für Rücksicht und Respekt zu setzen. Neidvoll blickten manche nach Lüdenscheid, wo sich mehrere hundert Teilnehmer unter dem Motto „Aus Respekt. Gemeinsam für Lüdenscheid“ auf dem Rathausplatz versammelten – und damit deutlich mehr mobilisiert hatten, als die Organisatoren des Montags-Spaziergangs. In der Kreisstadt stellte sich ein breites Bündnis aus Privatpersonen, Organisationen und Politik den Impfgegnern und selbsternannten „Freiheitskämpfern“ entgegen.

Kommentar von Rüdiger Kahlke

„Ist das regelkonform?“ Bei der Frage nach Abstand und Masken zucken die Ordnungskräfte der Stadt nur die Schultern. Die Regeln – nicht durchsetzbar bei den „Spaziergängern“ vor der Stadthalle. Sie wollen „deeskalierend“ wirken. Schätzungsweise 150 Spaziergänger und eine Hand voll Ordnungskräfte und Polizisten. Da sind Versuche Verordnungen, Recht also, durchzusetzen aussichtslos. Man kann es verstehen.

Aber was heißt das? Was für das Rechtsempfinden des Bürgers, der falsch parkt und blechen muss?  Was für die Wirtin, die den Impfstatus des Gastes nicht genau kontrolliert hat und der Ordnungsgeld droht. Müssen es nur genug Rechtsbrecher sein, um bei Regelverstößen straffrei auszugehen? Kann eine Gruppe, wenn sie nur groß genug ist, nach eigenen Regeln agieren?

Erleben wir mit den „Spaziergängen“, die mit dieser Etikettierung das Demonstrationsrecht unterlaufen, gerade eine Erosion des Rechtsstaates? Man muss die Einschränkungen, die mit der Pandemie verbunden sind, nicht schön finden. Man kann vieles kritisieren. Aber wenn Regelverletzung zur Norm wird, werden wir nach Corona das verloren haben, was verlässliche Basis des Miteinanders war. – Da wünscht man sich auch in der Provinz ein breites Bündnis für Respekt wie in Lüdenscheid. Da kann sich auch die Politik vor Ort nicht wegducken.

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