LokalDirekt (LD): Fühlst Du Dich hier im Sauerland wohl? Macht Dir Deine Aufgabe Spaß?
Matthias Reckzeh (MR): „Danke für die Nachfrage, ja ich fühle mich sehr wohl hier. Gebürtig komme ich aus Mecklenburg-Vorpommern, wohne aktuell in Moers und bin durch meine Handballlaufbahn viel herumgekommen. Die Menschen hier gefallen mir, der Verein und seine Arbeit sind sehr angenehm. Neben den oben genannten Stationen bin ich seit mittlerweile ungefähr 6 Jahren auch Torwarttrainer bei der Junioren Nationalmannschaft.“
LD: Als ausgebildeter und zertifizierter DHB-Torwarttrainer bist Du bei den Dragons für das Torwarttraining verantwortlich. Wie unterscheidet sich das Training für den Torhüter im Gegensatz zu dem Training für die Feldspieler?
MR: „Das ist eine sehr gute Frage. Das Torwarttraining ist grundsätzlich ein Spezialtraining oder auch Einzeltraining. Wir bauen es hier in das Mannschaftstraining immer mit ein, was bedeutet, wenn Mark Schmetz auf der einen Hallenseite sein Training absolviert, kann ich gegenüber mit den Torhütern mein Training absolvieren. Aktuell ist es so, dass ich mehr mit den jüngeren Spielern trainiere und Ante Vukas bei der Mannschaft verweilt, da die Nachwuchsspieler einen größeren Bedarf an Torwarttraining, Informationen und Input haben. Daher kümmere ich mich um die drei deutlich mehr als um Ante.“
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LD: Wie bereiten sich Torhüter auf das nächste Spiel vor? Werden die gegnerischen Schützen und ihre Wurfvarianten speziell ins Auge gefasst? Gibt es besondere Einheiten für Siebenmeterstrafwürfe?
MR: „Für die Siebenmeterstrafwürfe gibt es nicht unbedingt Einheiten. Torhüter müssen sich ein wenig anders als die Feldspieler auf das nächste Spiel vorbereiten. Sie haben zwar wie die anderen ein Videostudium, was sich aber darin unterscheidet, dass ich dem Torhüter nur den Angriff des Gegners zeige, da ihn die reine Abwehraktion grundsätzlich nicht interessiert. Ich verlange von den Jungs, dass sie sich relativ viel alleine angucken, frage die Einzelheiten aber nicht wie ein Lehrer ab. Vor dem Spiel machen wir die Besprechung immer in der Gruppe und dort frage die Jungs dann abwechselnd, was sie gesehen haben, wer die wichtigsten Spieler beim Gegner sind und welche Wurfbilder sie mitbringen. Wenn jemand etwas falsch gesehen hat, tauschen wir uns darüber aus. In dieser Absprache kommen dann auch die Siebenmeterwürfe drin vor. Ich merke allerdings auch schnell, wenn jemand gar nichts an Videos geguckt hat, was hier aber noch nicht vorgekommen ist. Grundsätzlich anschauen sollen sie sich das letzte Spiel des Gegners, ab und an auch das Spiel davor. Die Jungs machen sich auch Notizen dazu, wovon ich eigentlich kein Freund bin, denn für mich ist es so, dass sobald Du die Halle zum Spiel betrittst, musst Du es im Bauch spüren und verinnerlicht haben. Während des Spiels kannst Du halt keinen Zettel aus der Hosentasche holen und Dir Deine Notizen nochmal anschauen. Manchmal reden wir im Training aber auch mehr miteinander, als dass wir aktiv im Tor stehen. Der Torhüter ist die wichtigste Position in einer Mannschaft, denn ohne Torhüter würden wir jedes Spiel verlieren. Ein Torhüter hat sehr viel mental zu arbeiten, sehr viel Psychologie fließt mit ein.“
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LD: Jetzt sagst Du gerade, Du bist kein Freund von Notizen, aber wenn man während eines Spiels zur Mannschaftsbank schaut, sieht man Dich oftmals Notizen verfassen. Dürfen die Zuschauer erfahren, was Du Dir aufschreibst und ob diese Dinge dann ins nächste Training mit einfließen?
MR: „Grundsätzlich ist es die Auswertung für jeden Torhüter. Diese bekommt jeder Spieler pro Spiel und dann eine Zusammenfassung für die Hin- und Rückrunde. Ich verfasse es so, dass ich ein minus für ein Tor und ein plus für einen gehaltenen Ball notiere und die Halbzeiten jeweils in drei Drittel unterteile. Dann siehst Du einen Verlauf, wie der Torhüter drauf ist. Meist höre ich aber auf mein Gefühl, vergleiche es mit meiner Statistik und oftmals stimmen Gefühl und Statistik überein. Wir haben zum Abschluss der Hinrunde jedem eine eigene Statistik zur Verfügung gestellt: wie viele Bälle haben sie aufs Tor bekommen, wie viele haben sie gehalten, um eine Prozentzahl davon zu bekommen. Weitere Notizen sind bspw. die Torversuche des Torhüters, ob der Torhüter Probleme mit den Bällen vom Kreisläufer oder von Außen hatte und nehmen dies ins nächste Training mit rein.“
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LD: In dieser Saison stehen neben dem erfahrenen Ante Vukas drei Nachwuchstorhüter (Tjark Döscher, Michal Gorlas und Pius Hablowetz) im Tor der SGSH. Wie kam es zu diesem „Konzept“, zu dieser Idee/diesem Entschluss?
MR: „Das Konzept finde ich sehr interessant, man muss aber auch eingestehen, dass wir durch die Corona-Pandemie ein wenig dazu gezwungen wurden. Als Ante Vukas und Julián Borchert noch das Torhütergespann gebildet haben, hatten wir eine 1A- und eine 1B-Lösung, ohne jetzt Namen dazu zu nennen. Beide haben viele Spielanteile bekommen und als Julián den Verein verlassen hat, konnten wir durch finanzielle Engpässe keine wirkliche Nachverpflichtung tätigen. Es musste eine Idee entstehen, was wir machen und wir sind auf die Idee mit den Youngsters gekommen. Wir haben eine feste Nummer eins, aber keine feste Nummer zwei im Tor. Bei den jungen Leuten schauen wir dann nach Trainingsleistung, Spielleistung, mentale Einstellung und danach entscheiden wir, wen wir als Nummer zwei für das jeweilige Spiel setzen. Es ist nie in Stein gemeißelt, es wird immer getauscht und jeder hat jede Woche die Möglichkeit, die Nummer zwei des Spieles zu sein. Wir wollen auch jungen Leuten die Chance geben nach oben zu kommen, Erfahrungen zu sammeln und ihnen den Weg zu zeigen.“
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LD: Zu Saisonbeginn gab es sicherlich die ein oder andere kritische Stimme zu dieser Entscheidung, doch die Youngster rufen ihre Leistung ab, wenn sie gebraucht werden. Wie siehst Du, Stand heute, die Entwicklung der Jungs?
MR: „Allerdings haben nicht alle Beifall geklatscht, als ich versucht habe, diese Entscheidung durchzusetzen. Tjark, Pius und Michal waren zu dem Zeitpunkt eher unbekannt, zudem sind sie noch sehr jung und man hat ihnen nicht sehr viel zugetraut. Nun hatte ich diese Entscheidung getroffen und stehe dann auch zu einhundert Prozent dahinter. Wir hatten in dieser Saison schon zwei Spiele, in denen Ante Vukas nicht dabei war und die Jungs „alleine“ ran mussten. Ich habe Michal und Tjark in diesen Spielen zu einhundert Prozent vertraut und habe sie in ihrer Aufgabe bestärkt. Ich bin zufrieden, was die Jungs machen. Alle drei haben ihren eigenen Stil Bälle zu halten, körperlich sind sie unterschiedlich, aber die Entwicklung aller stellt mich sehr zufrieden. Es ist mir wichtig, dass sie mir zuhören, dass sie manchmal auch das machen, was ich ihnen sage.“
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