Über den Druck, der sich durch die Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen auf Ungeimpfte erhöht, mag man denken, was will. Es drängt sich aber angesichts des Ansturms am Fachmarktzentrum Wildenkuhlen in Kierspe der Eindruck auf, als wenn sich dadurch zahlreiche Menschen zur Erstimpfung mobilisieren ließen. Als am Dienstagmittag (23. November) um 13 Uhr die Mannschaft des Impfbusses auf dem Parkplatz die Arbeit aufnahm, standen schon lange Schlangen vor dem MVG-Bus, der als mobile Impfstation genutzt wird.
Aus diesem Blickwinkel ein voller Erfolg. Doch es gibt manch bitteren Beigeschmack. Der Augenscheinlichste ist die lange Wartezeit. Obgleich bereits kurz vor 15 Uhr Menschen abgewiesen wurden, weil sie keine Chance mehr hatten, noch dranzukommen, mussten Menschen bis weit nach 18 Uhr warten. Kurz nach 17 Uhr stand immer noch eine Schlange von mehr als 80 Wartenden zwischen den Supermärkten, und harrte friedlich und geordnet aus. Angesichts der kalten Temperaturen nicht sehr komfortabel, immerhin hatte ein nahegelegenes Geschäft den Wartenden die Nutzung der Kundentoilette erlaubt. Zeitweise standen die Menschen mäanderförmig in einer durchgehenden Schlange, mehrere hundert Meter.
Die Motivation, sich ausgerechnet jetzt unter diesen Bedingungen impfen zu lassen, hatte verschiedene Gründe. Die Antworten der angesprochenen Wartenden ergaben, dass sich viele Impf-Kandidaten dem Druck beugen – weniger der gesellschaftlich vorherrschenden Meinung, mehr den Auswirkungen der Beschränkungen, wie der ständigen Testpflicht.
Mancher beklagt sich, dass er sich nur gegen Corona impfen lassen würde, weil er durch die Auflagen Probleme an seinem Arbeitsplatz bekommen würde. Eine Frau mittleren Alters gab an, sie würde inzwischen dem psychischen Druck nicht mehr standhalten. Dabei würde sie eigentlich ihrem starken Immunsystem vertrauen. Schließlich habe sie sich trotz einiger Covid19-Erkrankten in ihrem Umfeld nicht angesteckt.

Als Corona-Leugner oder hartgesottener Impfgegner hatte sich von den Angesprochen keiner dargestellt.
Zumindest unter den an diesem Tag Befragten gab es eine Gruppe von Menschen allerdings nicht: Diejenigen, die durch die aktuelle Lage ihre Meinung geändert haben und nun doch eine Impfung für sinnvoll halten. Immerhin: Es gab Kandidaten, die überzeugt waren, das Richtige zu tun, und aus freien Stücken die mobile Impfstation aufsuchten. Dabei handelte sich allerdings um Menschen, die für den Booster-Piks in der Kälte anstanden. So wie die 60-jährige Waltraut S., die kein Verständnis für die Verweigerungshaltung vieler Menschen hat: „Wir müssen uns doch schützen und vor allem Verantwortung für unsere Mitmenschen zeigen, besonders für die Schwachen und Kranken.“ Klare Worte findet sie für die aktuelle Diskussion um die geplante Rationierung des Biontech-Impfstoffes zugunsten von Moderna: „Die sind doch beide sehr gut, aber für die Idee von Noch-Gesundheitsminister Spahn war der Zeitpunkt wohl sehr unglücklich.“
Für Waltraut S, die selbst im Pflegesektor arbeitet, sei das aber Jammern auf hohem Niveau. Auch die wartende Janine R. ist klare Impfbefürworterin. Als Zahnmedizinsche Fachangestellte arbeitet sie täglich eng mit Menschen, daher ist ihre Meinung eindeutig: „Ich hole mir heute die Auffrischung, das ist bei meinem Job ein absolutes Muss.“
Janine R. hat um 17.30 Uhr noch eine reelle Chance, dranzukommen. Und dafür etliche Stunden angestanden. Waltraut S. konnte bereits um 15 Uhr heim. Ohne Impfung, aber erstaunlich gelassen. Sie will direkt nach dem nächsten Angebot Ausschau halten.
Kleiner Trost für alle Wartenden: Auch für das Team der mobilen Einrichtung war der Tag hart und voller Überstunden. Ursprünglich war die Aktion für 13 bis 16 Uhr geplant. Am Ende hat sich diese Zeitspanne in etwa verdoppelt. Unklar ist, wie viele Menschen unverrichteter Dinge heimgeschickt wurden. Hierzu konnte keine Einschätzung abgegeben werden.
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