„Hot Chip Challenge“: Warnung vor gesundheitlichen Risiken der Mutprobe

In den sozialen Medien wird derzeit weltweit zu einer riskanten Mutprobe aufgerufen. Angesichts bundesweit mehrerer Vergiftungsfälle bei Kindern und Jugendlichen warnen der Ennepe-Ruhr-Kreis und Verbraucherschützer vor der „Hot Chip Challenge“.

„Glaubst du, dass du es drauf hast?“, fragt der Hersteller des Produkts „Hot Chip“ provokant auf seiner Webseite. Und will damit zur Teilnahme an einer Online-Challenge animieren.

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Das Procedere: Sich beim Essen des „Hot Chip“ (hierbei handelt es sich um einen einzelnen Tortilla-Chip, gewürzt mit der schärfsten Chilisorte der Welt und verpackt in einem sargförmigen Karton) filmen und die Aufnahmen in den Sozialen Medien teilen.

Junge Zielgruppe

Konkret ruft der Hersteller, der seinen Unternehmenssitz in der Tschechischen Republik hat, auf seiner Webseite die Teilnehmer dazu auf, ihre „Leistung“ zu teilen – und „einen oder zwei Freunde, die auch die schärfste Herausforderung kennen sollten“ ebenfalls zur Teilnahme aufzufordern. Nur dann habe man zudem die Chance, an der Gewinnverlosung eines Smartphones teilzunehmen.

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Die Webseite des Herstellers ist so aufgebaut, dass sie vor allem eine jüngere Zielgruppe anspricht: Teilnehmen an der Challenge können laut Wettbewerbsregeln „Personen, die älter als 15 sind“, obendrein wirbt das Unternehmen unter dem Slogan „Feuer, das hilft“ damit, dass es „um der Umwelt wenigstens ein bisschen zu helfen“ beim Kauf spezieller Challenge-Packs „für dich automatisch die Pflanzung eines Baums sichert“.

Carolina Reaper trifft auf Moruga Skorpion

Die Mais-Chips sind stark mit der Chili-Schote Carolina Reaper gewürzt, deren Schärfegrad mit bis zu 2,2 Millionen Scoville angegeben ist, und zudem seien sie noch mit dem Gewürz der Chilischote „Trinidad Moruga Scorpion“ (ebenfalls um die 2 Millionen Scoville) verfeinert. Laut Produzent handelt es sich damit um den „schärfsten Chip der Welt“.

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Zum Vergleich: Eine Peperoni ist zwischen 100 und 500 Scoville scharf, eine Jalapeño hat zwischen 2500 und 5000 Scoville, ein handelsübliches Pfefferspray kommt auf 200.000 Scoville. Verantwortlich für die Schärfe ist das in den Chili-und Paprikasorten natürlich vorkommende Alkaloid Capsaicin.

Warnung vor gesundheitsschädlichen Folgen

„Da die sehr scharfen Chips gesundheitsschädliche Folgen haben können, raten wir allen Verbraucherinnen und Verbrauchern dringend vom Verzehr ab“, warnt Philipp Streckmann, Lebensmittelchemiker der Abteilung Veterinär- und Lebensmittelüberwachung im Schwelmer Kreishaus.

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Denn Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihres geringen Köpergewichts bei zu viel Schärfe besonders gefährdet – gleichzeitig werden sie aber von den Videos in den sozialen Netzwerken am stärksten zur Teilnahme an der „Hot Chip Challenge“ animiert und von Gleichaltrigen unter Druck gesetzt.

Notarzteinsätze nach Verzehr

Die gesundheitlichen Folgen von extrem scharfen Lebensmitteln können – abgesehen von von Reizungen der Schleimhäute in Mund, Magen und Darm – auch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie unter Umständen Atemnot bis hin zum Kreislaufkollaps sein. So weist das Bundesinstitut für Risikobewertung unter dem Titel „Scharfe Mutprobe: Extrem scharfe Speisen können besonders Kindern gesundheitlich schaden“ auf die Gefahren derartiger Mutproben hin. Ebenso schreibt die Verbraucherzentrale NRW, die eine Sicherheitsprüfung für die „Hot Chips“ fordert, es habe bereits Notarzteinsätze an Schulen gegeben, nachdem Kinder sich dieser „Mutprobe“ gestellt hätten.

In Euskirchen etwa führte die „Hot Chip Challenge“ am 25. August zu einem größeren Einsatz mit mehreren Rettungskräften an einer Schule, nachdem dort einige Kinder mit den Chips in Berührung kamen oder verzehrten und aufgrund von Haut- und Atemwegsreizungen versorgt werden mussten.

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Auch die Polizei Dortmund warnte nach gesundheitlichen Problemen zweier Jugendlicher (14 und 16 Jahre alt) vor dem Verzehr der extrem scharfen Chips durch Minderjährige: „Das ist kein Spaß, sondern brandgefährlich!“ Kioskbetreiber und sonstige Verkaufsstellen sollten sich der potenziellen Gesundheitsgefahr für Käufer bewusst sein.

Hersteller nennt gesundheitliche Risiken

Anders als bei Alkohol aber gibt es für extrem scharfe Produkte keine Altersbeschränkung. Die „Hot Chips“ sind zwar – zumindest in einigen Online-Shops und auch im stationären Handel – mit „FSK 18“ beschrieben. Auf der Hersteller-Webseite und dessen Shop aber fehlt diese Angabe.

Der sargförmige „Challenge-Solo-Pack“ beinhaltet einen einzelnen Tortilla-Chip, verpackt in einem Beutelchen mit der Aufschrift „R.I.P.“, einen Schutzhandschuh, einen Aufkleber und eine laut Hersteller „einzigartige Rabattkarte, um die Hot-Chip-Challenge mit anderen Freunden zu teilen“. – Foto: Hot Chip s.r.o.

Hier heißt es in den FAQ bezüglich gesundheitlicher Risiken: „Menschen, die sich trauen, die Chips zu essen, können kurzfristig ein Brennen im Mund, verschwommenes Sehen oder Atembeschwerden und andere Symptome erfahren, die dem Verzehr von Chilischoten ähneln. Das Produkt ist nicht geeignet für Kinder, schwangere und stillende Frauen. Vermeiden Sie die Anwendung, wenn Sie allergisch gegen Capsaicin sind oder gesundheitliche Probleme haben, insbesondere mit der Verdauung (z.B. Magengeschwüre).“

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Ob sich challenge-willige Kinder und Jugendliche vor dem Verzehr jedoch umfangreich über „Risiken und Nebenwirkungen“ informieren ist jedoch eher fragwürdig.

„Finger weg!“

Wie die Verbraucherzentrale NRW mitteilt, ließ das hessische Verbraucherschutzministerium in der ersten Oktoberhälfte 24 Einzelpackungen des „Hot Chips“ im Landeslabor überprüfen. Auffällig seien stark schwankende Capsaicinwerte gewesen. Eine endgültige Einschätzung des Produktes liege jedoch noch nicht vor. Dennoch warnt das hessische Landeslabor schon jetzt in seinem ‚Verbraucherfenster‚: „Wir haben eine dringende Empfehlung: Finger weg!“

Auch Philipp Streckmann und die EN-Kreisverwaltung wollen Eltern und Lehrkräfte für die Gefahren der medial aufmerksamkeitsstarken „Hot Chip Challenge“ sensibilisieren: „Den Kindern muss deutlich werden: An Erbrechen, gereizten Schleimhäuten, Durchfall, Kreislaufkollaps und Atemnot ist nichts cool.“

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