Haushaltsrede von Bürgermeister Michael Brosch

"Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz vor Ort, dann dürfen wir die Bauleitplanung und unsere Windkraftstrategie nicht weiterhin fiskalischen Zielen unterordnen", betonte Michael Brosch seine Meinung zu weiteren Baugebieten in Halver.

Halver. Bürgermeister Michael Brosch brachte am Montag, 20. September, den Haushalt 2022 ein. In seiner Rede vor dem Rat blickte er jedoch zunächst auf das zurückliegende Jahr, dass er aufgrund von Corona, Flutkatastrophe und Borkenkäferplage als „Krisenjahr“ bezeichnete, in dem aber auch „viel Positives“ geschehen war. Er benannte unter anderem den Breitbandausbau, den Fortschritt der Digitalisierung an Schulen und den Ausbau von Kitaplätzen.
Auch 2022 wolle man Investitionen in schnelles Internet auch in Gebieten mit wenigen Häusern weiter vorantreiben. Als weitere Projekte im neuen Jahr nannte er zudem die Bolz- und Skateranlagen, die Regionale 2025 und die Bau- und Erweiterungsmaßnahmen für die Freiwillige Feuerwehr.

Mahnend blickte Brosch zudem auf die weitere Ausweisung von Baugebieten, respektive Herksiepe und Schillerstein:
„Auch wenn es dem Einen oder Anderen in unserer Runde unangenehm ist: Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz vor Ort, dann dürfen wir die Bauleitplanung und unsere Windkraftstrategie nicht weiterhin fiskalischen Zielen unterordnen. Klimaschutz und Kohle passen nicht wirklich gut zusammen“, so Brosch. Für „Personal und Penunsen“ sehe er das ähnlich und sprach damit die dünner werdende Personaldecke innerhalb der Verwaltung an.


Die Haushaltsrede von Bürgermeister Michael Brosch am 20. September 2021 im Wortlaut:

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat und aus der Verwaltung, verehrte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Halver,

Der Haushaltsentwurf 2022 liegt vor Ihnen. Es ist das erste Haushaltsjahr, das seit 2012 nicht mehr der Stärkungspaktperiode angehören wird. Derzeit weist der Entwurf noch ein Defizit von rund 475 000 Euro auf. Es heißt also erneut: Ausgaben senken, Einnahmen erhöhen oder Steuersätze verändern, um ihn auszugleichen. Ich werde gleich noch darauf eingehen.

Zunächst kurz zum laufenden Jahr 2021:

Auch das Jahr 2021 war in tatsächlicher und in finanzieller Hinsicht eine große Herausforderung für die Stadt Halver. Erneut bezeichne ich das Jahr als Krisenjahr.

Corona:
2021 ist das zweite Corona-Jahr. Die Auswirkungen der Pandemie werden uns nach meiner Einschätzung deutlich über die Jahreswende hinaus begleiten. Die finanziellen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser größten Krise seit dem 2. Weltkrieg werden wohl eine ganze Generation prägen.

Unklar ist in diesem Jahr bislang noch, ob und in welcher Höhe wir wieder mit echten Finanzhilfen des Landes rechnen dürfen, die 2020 immerhin fast 5 Millionen Euro an zusätzlicher Stärkungspaktbeihilfe und erstatteter Gewerbesteuerausfälle ausmachte.

Dem Grunde nach ist eine entsprechende Landeshilfe angekündigt.

Flutkatastrophe:
In der Nacht vom 14./15. Juli richteten die bekannten Starkregenereignisse große Schäden vor allem im Ortsteil Oberbrügge aber auch an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet an. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für die professionelle Arbeit unserer Hilfsorganisationen, der Feuerwehr, dem THW, dem DRK, der Polizei und den vielen spontanen Helferinnen und Helfern bedanken. Danke auch für die spontanen Geld- und Sachspenden, rund 150 000 Euro kamen zusammen. Gemeinsam haben sie nicht nur am Katastrophenabend, sondern lange danach viel menschliches Leid gelindert und den Betroffenen Hoffnung gegeben!

Im Rathaus haben wir rund 120 Handgelder von bis zu 5000 Euro als Soforthilfen ausgezahlt. (…)

Borkenkäfer:
Nach den trockenen Sommern der letzten drei Jahre hatten wir die Hoffnung, dass ein kühleres und feuchteres Jahr 2021 Entspannung bei der Borkenkäferplage bringt. Die Hoffnung war trügerisch. Die Käfer flogen trotzdem und die Hoffnung, einen Teil des Fichtenbestandes durch rechtzeitige Entnahme befallener Bereiche erhalten zu können, ist in diesem Jahr gestorben. Stille Reserven in der städtischen Bilanz aus der Verwertungsmöglichkeit des Aufwuchses dürften im höheren sechsstelligen Bereich aufgezehrt sein. Die Verantwortlichen der FBG und des Forstamtes haben in den letzten Jahren Unglaubliches geleistet, auch dafür ein dickes Dankeschön!

Aber das Jahr 2021 brachte bislang nicht nur Krisen sondern auch Positives:

Breitband/Digitalisierung:
Der Anschluss aller Ortschaften mit mehr als 10 Wohneinheiten in Halver schreitet voran. Interessierte Eigentümer haben wir ermittelt, sie bekommen kostenlos einen Glasfaseranschluss ins Gebäude gelegt. Der größte Teil ist bereits abgearbeitet. Ein dickes Dankeschön geht hier an Ramona Ullrich und den Märkischen Kreis.

In Halver verfügen nun alle Schulen über einen Glasfaseranschluss, Lehrpersonal und bedürftige Schülerinnen und Schüler sind mit digitalen Endgeräten ausgestattet worden. Die Schullandschaft verändert sich hier gerade deutlich.

Humboldtschule:
In diesem Jahr haben wir nun den Umbau der Sekundarschule endlich abgeschlossen. Vor uns steht ein modernes Schulgebäude, in dem alle Voraussetzungen für gute pädagogische Arbeit gegeben sind.

Oesterberg:
In diesem Jahr wird die Kanal-/Straßensanierung am Oesterberg beendet sein. Die Abstimmungen mit den Versorgern haben unseren ursprünglichen Zeitplan deutlich durcheinandergebracht. Aber das Ergebnis ist gut!

AWO-Kita:
Am 1.Oktober weihen wir sie ein, unsere neue AWO-Kita. Das 3,5 Mio. €-Projekt wertet den Campus auf. Zwei zusätzliche Gruppen, eine davon heilpädagogisch, werden unser Betreuungsangebot für die Jüngsten qualitativ und quantitativ dauerhaft verbessern.

Schmittenkamp:
Straßen- und Kanalbau sind fertig, das neue Baugebiet ist fast ausverkauft. Die ersten Häuser stehen, Oberbrügge-Ehringhausen bekommt ein schönes neues Baugebiet.

Rettungswache:
Die vorbereitenden Arbeiten sind beendet, so dass der mit dem Bau der neuen Rettungswache beginnen konnte. Die Einsatzbereitschaft und Hilfeleistung in Halver und Schalksmühle wird sich dadurch nochmal deutlich verbessern!

Kommen wir zum Jahr 2022, zunächst allgemein zum Haushalt:

Aufwand i.H.v. knapp 43,1 Mio. € steht ein Ertrag i.H.v. 42,6 Mio. € gegenüber.

Größter Posten bei den Aufwendungen sind für uns erneut die Transferaufwendungen und hier die Kreisumlage. Die allgemeine KU soll voraussichtlich um 1,13% auf 38,76% sinken, die differenzierte KU sinkt leicht auf 21,96%. Die absolute Höhe der differenzierten KU ist in den letzten fünf Jahren von 25,6 Mio auf 35,7 Mio. € gestiegen, die Zahllast für die acht Kommunen ohne eigenes Jugendamt stieg damit im gleichen Zeitraum um 40%.

An dieser Stelle spätestens merken wir deutlich, dass die Verbesserungen im Bereich der frühkindlichen Betreuung auch Geld kosten.

Mit dem Haushaltsplanentwurf 2022 schlagen wir Ihnen wieder eine bunte Palette sinnvoller Investitionen vor. Viele davon stehen unter dem Vorbehalt einer Bundes- oder Landesförderung. Ein paar Beispiele:

Schnelles Internet:
Die Auftragserteilung für den sog. 6. Call, also die Versorgung der Ortschaften >10WE steht unmittelbar bevor. Durch die Auftragserteilung in 2021 und Umsetzung bis spätestens 2025 werden für Halver keine Eigenanteile anfallen, da wir nach wie vor als Stärkungspaktkommune gewertet werden. Aus dem gleichen Programm werden wir im gleichen Zeitraum alle bislang unterversorgten Gewerbegebiete auf Glasfaser umstellen.

Feuerwehrgerätehäuser:
1,4 Mio. € möchten wir für den Neubau des Feuerwehrgerätehauses Bommert in Anschlag veranschlagen. Die restlichen 1,3 Mio.€ folgen 2023. Ich freue mich, dass wir hier gemeinsam eine zukunftsfähige Planung gefunden haben und umsetzen wollen.
Ergänzt wird die strategische Ausrichtung unserer Halveraner Wehr um einen Anbau beim LZ1 Stadtmitte, der eine Lösung für die Jugendfeuerwehr und eine Bestandsoptimierung beinhaltet.
Wenn Sie den Ihnen vorliegenden Grundsatzbeschluss heute mittragen, wären das gute Nachrichten für die Jugendfeuerwehr, die im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feiern kann. Außerdem wäre dieser Ratsbeschluss Voraussetzung dafür, dass wir erneut einen Förderantrag im Dorferneuerungsprogramm stellen können. In diesem Jahr hatten wir mit Anschlag Erfolg, der Zuschuss senkt unseren Investitionsbedarf um 250.000€.

Spiel-/Bolzplätze:
Für Spiel- und Bolzplätze, einschließlich der Verlagerung der Skateranlage möchten wir rund eine halbe Mio. € investieren.

Radwege:
Wir hoffen nun, dass die Kostenübernahmevereinbarung für den Radweg von Radevormwald in die Innenstadt endlich abgeschlossen werden kann. 1,53 Mio€ werden daher neu veranschlagt.

Regionale 2025
Die Vorbereitungen für das Kreativquartier auf dem Werkhofgelände laufen. 200.000€ sind dafür im Entwurf vorgesehen.

Straßen:
Neben zahlreichen investiven Straßenbaumaßnahmen möchten wir im kommenden Jahr den ZOB an der Sparkasse renovieren und technisch zeitgemäß ausstatten. Rund 1,25 Mio. € sind im Entwurf eingestellt, wir erhoffen und 90% Zuschüsse für diese Maßnahme.

Neubaugebiet Schillerstein/Herksiepe:
Sie wissen, dass ich zu diesem Thema nichts sage, da ich befangen bin. Aber lassen Sie mich ein paar allgemeine Gedanken zum Themenkomplex Neubaugebiete-Haushalt-Klimaschutz entwickeln, da Sie die Erschließungskosten für das Areal im Entwurf finden.
Die Vermarktung von Wohnbaugebieten hat in der Vergangenheit einen Deckungsbeitrag im Haushalt ergeben. Gleichzeitig haben wir in diesem Jahr erlebt, welche Folgen auch Flächenversiegelungen für unser Klima haben. Wir haben ein Klimaschutzkonzept auf- und eine Klimaschutzbeauftragte  eingestellt. Gemeinsam wollen wir unseren lokalen Beitrag zur Energiewende auch in Halver leisten.
Auch wenn es der/dem Einen oder Anderen in unserer Runde unangenehm ist: Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz vor Ort, dann dürfen wir die Bauleitplanung und unsere Windkraftstrategie nicht weiterhin fiskalischen Zielen unterordnen!
Klimaschutz und „Kohle“ passen nicht wirklich gut zusammen!!!

Personal:
Der Haushaltsplanentwurf umfasst rd. 440 Seiten. Und trotzdem sind nicht alle Angaben aktuell oder fehlen noch, weil den Verantwortlichen Zeit fehlt.
Dass es sich lohnt, in diesen Vorbericht einmal genauer hineinzuschauen, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen:
Auf Seite 43 finden Sie die Kennzahl „Personalintensität“ (Personalaufwand/ordentlichen Aufwand). Wenn Sie den Median durch den  Halveraner Wert dividieren, stellen Sie fest, dass die durchschnittliche Stadtverwaltung gleicher Größe rund 20% mehr Personal hat! Bezogen auf unseren eigenen Stellenplan sind das rund 20 Stellen.
Immer wieder Verschieben wir Projekte, die unsere Stadt dringend braucht. Langfristige Erkrankungen werden nicht oder nicht ausreichend kompensiert, es fehlt die Zeit bei den Führungskräften, ihre eigentlichen Führungsaufgaben wahrzunehmen. Es fehlt die Zeit, die Ergebnisse von Organisationsuntersuchungen und Mitarbeiterbefragungen ernsthaft umzusetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus, die ganz nebenher nicht unwesentlich in die aktuelle Krisenbewältigung eingebunden sind, werden unzufrieden. Sie werden krank, oftmals ernsthaft krank! Sie alle haben konkrete Namen vor Augen! Keiner aus der Mitarbeiterschaft schuldet dem Bürgermeister, dem Beigeordneten oder dem Rat, dass wir permanent die günstigsten Steuersätze im Kreis haben; diese sollten in einem guten Verhältnis zur Leistung und Lebensqualität der Stadt stehen. Wir alle haben eine Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft im Rathaus. Es ist falsch, die Personalpolitik den fiskalischen Zielen komplett unterzuordnen. Ich sagte gerade

Klimaschutz und „Kohle“ passen nicht zusammen,
für Personal und „Penunsen“ sehe ich das ähnlich!

So weit zu einigen wichtigen inhaltlichen Schwerpunkte des Haushaltsplanentwurfs 2022!

Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus für die professionelle, disziplinierte Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt trotz schwierigster Bedingungen!

Ich bedanke mich bei Markus Tempelmann und seiner Mannschaft für die Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2022! Mein besonderer Dank gilt Annette Schulte, denn ihr verdanken wir nicht nur den Vorbericht! Ich bedanke mich bei Ihnen verehrte Kolleginnen und Kollegen im Rat der Stadt Halver für Ihr Interesse und Ihre Geduld und wünsche Ihnen viel Freude beim Schmökern und gute aber bitte auch realistische Ideen, die unsere Stadt Halver weiter nach vorn bringen.

Vielen Dank und gute Beratungen in den Ausschüssen.

Michael Brosch


Lesen Sie hier die Haushaltsrede von Kämmerer Markus Tempelmann.