Halver. Eines muss vorweg gesagt werden: Voll war die Aula des Anne-Frank-Gymnasium in Halver nicht, trotz der derzeitigen Auflagen hätte noch mancher Gast Platz gefunden. Wer nicht den Weg in diese turbulente Travestie-Show gefunden hat, sollte es bereuen, oder einen der nächsten Auftritte von Ham & Egg besuchen. Die Gäste, die die Show am vergangenen Samstagabend erlebten, waren begeistert. Aber wohl auch an mancher Stelle überrascht, denn das Bühnenprogramm der beiden Travestie-Künstler ist extrem abwechslungsreich, bisweilen sogar etwas widersprüchlich.
Letzteres ist dabei keineswegs despektierlich gemeint, vielmehr gelingt Andreas Schmitz und Jörg Dilthey auch, was sie eigentlich nicht sein wollen, nämlich die optisch täuschende Verwandlung in das weibliche Geschlecht. Ihr Antrieb ist der Spaß am Verkleiden. Ihr Programm ist Karneval und Satire, nie wollen sie verheimlichen, Männer zu sein. Das perfekte Schminken einer Drag Queen ist nicht ihr Ding, und tatsächlich haben die Glamour- und Revue-Kostüme einen eher geringen Anteil an der Show. Und doch gehören diese dazu, und die beiden Rheinländer brillieren auch in diesen Rollen.
Ham & Egg, die den Ursprung ihres Künstlernamens übrigens nicht erklärten, nehmen weder sich selbst, noch ihr Alter sonderlich ernst. Da wird ihr Genre als „Transistorenshow“ bezeichnet, der morgendliche Blick in den Spiegel wird zum Besuch „der Geisterbahn“.
Die beiden „Damen mit Stiel“ nehmen die von ihnen gespielten Figuren allerdings sehr ernst, auch die dabei präsentierten Kostüme. Dazu zählten natürlich zahlreiche schrille Fummel, denen man eine gewisse Eleganz nicht absprechen mag. Einige Outfits würden vermutlich sogar in einem Karnevalsumzug funktionieren, wie etwa die Kreation aus Punk-Frisur und Lederkombi, abgerundet durch das Vorderteil eines Motorrollers. Es würde wohl den Rahmen sprengen, jedes Kostüm ausführlich zu beschreiben, denn dann würden andere Aspekte der Show zu kurz kommen.
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Die wirklich aufwändig gestalteten Kostüme waren ja stets ein wichtiger Teil der Performance, doch Tanz- und Gesangseinlagen hatten auch einen erheblichen Anteil daran. So wurde der Schlager-Klassiker „Im Wagen vor mir“ lediglich durch aberwitzige Kostüme „bebildert“, die man bestenfalls als „verplüschte“ Autoscooter beschreiben kann. Vom ABBA-Hit „Fernando“ blieb hingegen nur die Melodie, der Text wurde einem Paketboten gewidmet, der die Damenwelt nicht nur mit Schuhen beliefert, sondern auch für die Zeugung ihres Nachwuchs verantwortlich zeichnet.
Die Bühnenshow von Ham & Egg soll mit Hilfe der Travestie unterhalten. Das ist das Ziel von Andreas Schmitz und Jörg Dilthey, deren nunmehr zehntes Programm „Aus Spaß verkleidet“ heißt. Trotz allem Spaß, trotz mancher regelrecht zotigen Kalauer, gab es auch nachdenkliche Zwischentöne. So blieb manchem Zuschauer das Lachen im Halse stecken, als zu Bee Gees „how deep is your love“ das Kommunikationsverhalten von Teenagern aufs Korn genommen wurde.
Beim Schlussakt schwang die „Melancholie des Clowns“ mit. Andreas Schmitz kehrte zur Zugabe im Straßenoutfit auf die Bühne zurück und unterstrich mit dem nicht nur von Sinatra erfolgreich interpretierten Klassiker „My Way“ die musikalischen Qualitäten der beiden Entertainer. Währenddessen legte Jörg Dilthey sein schillerndes Kleid und die Maskerade ab. Am Schluss standen zwei Kerle vor dem Publikum, die in der Werkzeugabteilung eines Baumarktes nicht weiter auffallen würden. Diese Rückverwandlung ist Teil ihrer Message: Sie sind Kerle, und alles andere ist Kostüm, der Spaß am Verkleiden. Für das restlos begeisterte Publikum endete damit ein ausgelassener Abend, der für mehrere Stunden Abwechslung vom stressigen Alltag bot.
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