18 Schüler der Jahrgänge Fünf bis Dreizehn, neun Lehrer und Elternvertreter sind von Kierspe nach Berlin gereist, um den Preis in der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegenzunehmen – inklusive dreitägiger Tour durch die Hauptstadt und prominenten Begegnungen.
„Demokratie lernen, leben, gestalten“ – diesen Dreiklang gibt die DeGeDe mit ihren diesjährigen Kooperationspartnern, der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Jugendalter, als Vorgabe für den Preis für demokratische Schulentwicklung an. Die Gesamtschule versucht seit über 50 Jahren diesen Anspruch mit Leben zu füllen.
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Auf vier Dimensionen gründet sich laut Schulleiter Johannes Heintges das demokratische Konzept seiner Schule. Einige Punkte seien per Schulgesetz verpflichtend zu beachten, vieles sei auch an anderen Schulen Standard, aber die GSKI habe Strukturen eingeführt, wie sie andere Schulen so nicht hätten.
Vier Dimensionen der Demokratie an der GSKI
Als erste Dimension nennt Heintges den Fachunterricht. An allen Schulen werde das Fach Sozialwissenschaften angeboten, doch die Gesamtschule kombiniere diese Fachrichtung in der Gesellschaftslehre mit Erdkunde und Geschichte. „Demokratiepädagogik muss auch inhaltlich unterwegs sein“, erklärt Heintges. Im Fach „Demokratie lernen“ werden zudem Anliegen und Projekte der Schüler besprochen.
Seit über 50 Jahren habe sich die zweite Dimension etabliert: das „Schulklima“, wie Heintges sie nennt. „Wir versuchen einen partnerschaftlichen Umgang zu leben – mit Schülern, Lehrern und Eltern“, betont Heintges. Das Grundrezept der Gesamtschule. „Gesamtschule ist hier erfunden worden. Hier hat von Anfang an die Demokratie eine Rolle gespielt, auch in Kontroversen zwischen Schulleitung und Lehrern.“
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Dimension drei setzt Demokratie im Schulalltag auf institutioneller Ebene an, wie Claudia Koch-Meitz, Verbindungslehrerin der Schülervertretung, erklärt. Diese Dimension gehe weit über das Schulgesetz hinaus. Zwei prägnante Beispiele: Wenn Schülersprecher in der Gesamtschule direkt gewählt werden, besorgt die Schule Wahlkabinen und Wahlurnen von der Stadt Kierspe, um im PZ (Pädagogisches Zentrum, d. Red.) für alle Schüler die Situation einer Kommunal- oder Bundestagswahl nachzustellen – Wahlkampf und Wahlverzeichnis gehen dem Wahlgang voraus.
Die Themen werden von den Schülersprecherteams selbst gesetzt und in Jahrgangsversammlungen mit den Mitschülern diskutiert. „Wir brauchen den Vertretungsplan auf unseren Smartphones“, skizziert Heintges eine Idee der Schüler. „Das kommt nicht von uns“, stellt er klar. „Es ist ein Schatz an Ideen, der von den Schülern kommt.“ Und es gehe noch weiter: Jede Stufe habe ihr eigenes Parlament mit Abgeordneten aus den Klassen. Die Sprecher der Klassen seien untereinander vernetzt – „Und das Jahrgangsübergreifend“, wie Heintges herausstellt.
Als vierte Dimension sei die Gesamtschule als „politische Schule“ zu bezeichnen. „Wenn Schüler von Abschiebung bedroht sind, gibt es Petitionen und Demonstrationen – mal mit und leider mal ohne Erfolg, aber auch das gehört zum Demokratie-Erleben dazu. In unserem Archiv lassen sich viele Beispiele für gelebte Demokratie finden“, so Heintges. Derzeit besuchten etwa 53 ukrainische Flüchtlinge die Schule.
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GSKI will nach Berlin
Mit dieser schulischen Entwicklung im Repertoire haben Claudia Koch-Meitz und ihre Kollegin Imke Metzner, Demokratiebeauftragte der Schule und beide Moderatoren in der staatlichen Fortbildung im Bereich Demokratiepädagogik, den Entschluss gefasst, sich mit der Gesamtschule um den Preis zu bewerben. „Das war noch vor Corona“, erinnert sich Koch-Meitz. Im diesem Jahr fand der Preis nach Pandemie bedingter Pause wieder statt. Schnell war der Ehrgeiz geweckt. Der Arbeitskreis Demokratie entwarf eine Bestandsaufnahme: „Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“
Diese Sammlung wurde im April dieses Jahres in einem Selbstaudit mit vielen „Schülis“, wie Koch-Meitz sie genderkonform bezeichnet, sowie Vertretern der Elternschaft und des Lehrerkollegium ganztägig mit einer externen Moderatorin aufgenommen. Darin wurden zwei Säulen der Demokratiepädagogik an der GSKI besonders betont: die Partizipation und die Inklusion sowie Integration. „Wir mussten für uns zwei Schwerpunkte aus vier Vorgegebenen auswählen“, erinnert sich Koch-Meitz. „Da wir beispielsweise Schülis mit Förderbedarf in die Regelklassen integrieren oder Kinder mit Einschränkungen über unseren Schul-Laden in Prozesse des Alltags einführen, haben wir uns neben der Partizipation für den Punkt Inklusion entschieden und ihn um den Punkt Integration ergänzt.“
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Jubel in den Klassenzimmern
Schließlich wurde neben dem Selbstaudit ein Bewerbungsheft am letzten Schultag vor den Sommerferien nach Berlin geschickt. Deadline: Mitte Juni. Als Anfang September Schulleiter Heintges einen Brief aus Berlin erhielt und den Schülern per Lautsprecheransage den Gewinn verkündete, brach Jubel in den Klassenzimmern aus.
GSKI fährt nach Berlin
Vom 9. bis zum 12. November machte sich die Gruppe auf in die Hauptstadt. Die Kiersper Delegation übertraf bei weitem die Vorgabe der DeGeDe mit zwei bis drei Schülern und drei Lehrern anzureisen. „Wir haben mit dem Gastgeber diskutiert, dass wir mit so vielen Leuten kommen dürfen“, berichtet Heintges. „Wir wollen damit auch zeigen, welcher Stellenwert dieser Preis für uns hat.“
Lokale Sponsoren, regionale Parteien der Bürgermeister der Stadt Kierspe, der Landrat und die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützten den Ausflug finanziell, damit alle beteiligten Schüler kostenlos teilnehmen konnten.
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Auf dem Berlin-Programm stand am geschichtsträchtigen 9. November der Besuch an den Resten der Berliner Mauer mit einem Spaziergang entlang der East Side Gallery und zum Brandenburger Tor an.
Am nächsten Tag ging es zum und in den Bundestag. Dort fand gerade eine Sitzungswoche statt. Hier kam es zu einer Zufallsbegegnung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck, der den Schülern zu ihrem Erfolg gratulierte. „Habeck wurde wie ein Popstar gefeiert“, erzählt Koch-Meitz.
Die Schüler durften sich Politik nicht nur „ansehen“, sondern auch sich selbst erproben. Über das Büro der SPD-Bundestagsabgeordneten Nezahat Baradari, die die GSKI zu ihrem 50. Jubiläum besucht hatte, konnte für die Gruppe ein Rollenspiel im Deutschen Dom für Gäste des Bundestags gebucht werden. Die Schüler schlüpften in die Rollen von Abgeordneten unter einer Nachbildung der Reichstagskuppel und debattierten über ein Verbot von Inlandsflügen.
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Am 11. November folgte die eigentliche Preisverleihung. Neben der Gesamtschule wurde eine Grundschule ausgezeichnet. Drei weitere Schulen erhielten eine Anerkennung. „Auch darüber hätten wir uns schon gefreut“, so Heintges. Die Laudatio sei aber besonders emotional gewesen. Die zehn-köpfige Jury, darunter Landesschülersprecher, ein Erziehungswissenschaftler der FU Berlin sowie eine Referentin für Demokratiepädagogik des Bundesfamilienministeriums hätten sich intensiv mit der GSKI und ihrem Konzept auseinandergesetzt. „Nach der Verleihung lagen wir uns spontan in den Armen“, berichtet Koch-Meitz, der das Bestreben um Demokratieförderung ein „Herzensanliegen“ ist. „Wir wollen die Schullandschaft verändern und den Kindern etwas mitgeben.“
„Demokratie ist fragil geworden“, so Heintges. „Schauen wir nach Italien oder in den Iran. Auch hier bei uns in Deutschland wird die Systemfrage offen gestellt. Es ist unser Selbstverständnis, dass wir uns parteipolitisch neutral verhalten, aber nicht in der Sache. Der Preis motiviert uns auch, zu schauen, wo wir noch besser werden können.“
Am Ende der Veranstaltung sei die Kiersper Gruppe mit dem Hinweis „Bis zum nächsten Mal!“ verabschiedet worden.
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