Fatih Çevikkollu: „Brillanz entsteht in eurem Ohr“

Sehr witzig war es, was der wortgewandte Kabarettist Fatih Çevikkollu am Samstag, 11. Februar, auf die Bühne der Aula des Anne-Frank-Gymnasiums brachte. Er legte den Fokus auf einige Wunden unserer Gesellschaft, zoomte ran und brachte trotz ernster Hintergründe das Publikum zum Lachen.

Während seiner kabarettistischen Aufführung erwies sich Çevikkollu, der in „Türkenstock“-Latschen auf der Bühne stand, als genauer Beobachter, kritisierte detailreich seltsame Verhaltensweise aus dem Alltag und gab satirische Kommentare ab. Dabei trat auch ab und zu der bissige Zyniker in ihm zutage. Auch sein Können als Schauspieler führte er vor.

Gleich zu Beginn erklärte Fatih Çevikkollu, dass er nach sechs Programmen, bei denen sein Vorname fester Bestandteil war („Fatihland“, „Komm zu Fatih“, „Fatihtag“, „Empfatih“ „Fatihmorgana“ und „Fatih Unser“ – „Das hätte ich auch ‚Fatihkan‘ oder ‚Kalifatih‘ nennen können“, kommentierte er treffend), habe er nun davon mit dem Titel „Zoom“ Abstand genommen, „obwohl etwa noch ‚Homiofatih‘ oder ‚Intifatih‘ durchaus Möglichkeiten“ bieten würden.

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Jetzt aber wolle er an bestimmte Missstände in unserer Gesellschaft heranzoomen. So habe er während der Corona-Pandemie etwa entdeckt, dass er eine Tochter habe. Nach einem bemerkenswerten weil wortakrobatischen Rap schilderte er sehr detailgetreu den Vorfall des Wirtschaftsanalysten, der sich im Home Office befand und der während einer wichtigen „Zoom“-Live-Schalte mit CNN überraschend Besuch von seiner Tochter und seiner Frau erhielt – eine sehr spaßige Begebenheit, die weltweit Beachtung fand.

Çevikkollu kritisierte den übertriebenen Handy-Gebrauch mit den Worten: „Als die Telefone noch festgebunden waren, waren wir noch frei“, um sich gleich darauf über Schönheitswahn und Körperbehaarungs-Phobie auszulassen. Dabei machte er auch Witze über sich selbst: „Als Gott mich gemacht hat, hat er an eine Badematte gedacht.“ Und: „Wenn ich im Freibad auf der Wiese liege, denken die Leute, da ist ein Gebüsch“. Auch „Heidi Klumfuß und ihr Knochenkarussell“ oder Kim Kardashian mit ihren aufgepolsterten Hinterteil („Wie oft muss man vom Fahrrad fallen, um sich den Arsch voll spritzen zu lassen?“) bekamen ihr Fett ab. Zudem wies er darauf hin – und dies sei kein Witz -, dass derlei Operationen die meisten Todesfolgen mit sich brächten.

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Auch die Social-Media-Präsenz der dünnen Models kritisierte er. Da heiße es: „Ich bin, ich kann, ich hab“. „Was hat sie denn? Offensichtlich Hunger!“ Viele junge Frauen seien so dünn, „da kann man Klamotten drüber hängen oder vielleicht die Kreditkarte durchziehen“.

Bei Gags am laufenden Band, kamen die rund 150 Besucher aus dem Lachen kaum noch raus, zumal Çevikkollu auch immer kleine Witze dazwischen schob: So habe neulich ein Zuschauer gesagt: „Hey, heiße Latschen!“, worauf er geantwortet Habe: „Hey, heiße Fatih!“ und schon ging es weiter mit den absurden Corona-Verschwörungstheorien, mit „Korruption in der Union hat Tradition“ oder mit seinen sprachlichen Schwierigkeiten als Kölner an der renommierten Hochschule Ernst Busch in Berlin. Er solle doch hochdeutsch sprechen und mal sagen „Des Königs Milchsuppe“. Was macht der Kölsche daraus? „Dem Könich sin Supp“. Dann zitierte er aus Schillers „Kabale und Liebe“ den Ausspruch „Schrecklich enthüllt sich mein Frevel mir“ und fragte: „Warum sagt er nicht direkt: ‚Ach, du Scheiße!“

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Auch Shakespeares Erbfolge-Mörder „Richard III.“ („Ein Stück wie Schlangestehen mit Töten“) stand auf dem Programm. Mit improvisiertem Buckel (aus Jacke und Latschen) trug er einen kleinen Monolog vor. Dann waren die Kataris mit ihrem „unfassbar vielen Geld“ Zielscheibe seines Spotts, gefolgt von Stressfaktoren unserer Zeit („Alle sind heute vernetzt und dennoch steigt die Einsamkeit.“). Beim Stressabbau könne ein Yoga-Yogi helfen. Und denn stellte Çevikkollu im besten indisch-englisch auch vor und scheute sich nicht, einen Kopfstand zu zelebrieren. Wenn man ihn jetzt anspräche, würden höchstens sein Füße antworten: „Feedback“ sozusagen.

Fatih Çevikkollu mit improvisiertem Buckel als Richard III.. – Foto: Mertens

Immer wieder lobte der Künstler das „tolle Publikum“, etwa auch mit dem Spruch „Halver sehen und sterben“ und meinte, dass die beste Zeit jetzt sei. Denn so gut wie jetzt, sei es noch nie gewesen. Dennoch gäbe es Menschen, die zurückgewandt seien. So wirke etwa Friedrich Merz wie „ein alter toter Affe“. Und schon ging es weiter mit einem Kulturenvergleich: brasilianischer und deutscher Karneval, Samba und Marschmusik. Danach richtete Çevikkollu den Blick auf die unterschiedlichen Sichtweisen türkischer und deutscher Tugenden. Lägen bei den Deutschen die Pünktlichkeit und Direktheit auf den ersten Plätzen, sei dies bei den Türken die Höflichkeit und die Ehre. Der Gegenüberstellung ließ Çevikkollu den Appell folgen: „Wisse darum!“

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Auch den Begriff „Menschen mit internationaler Biografie“ fände er besser als „Personen mit Migrationshintergrund“ und auf die Frage, woher er denn komme, sage er: „Ich komm aus Deutschland“ und wenn die Leute seltsam gucken, füge er hinzu: „Ja, so sehen die jetzt aus!“

Sein abschließender wieder enorm wortgewaltiger Rap endete „mit der Geburt des Guten“. Eine Zuschauerin wollte wissen, von wem der Text sei. Etwas verwundert, als wenn man es ihm nicht unbedingt zutrauen würde, antwortete Fatih Çevikkollu: „Von mir.“ Immerhin lobte die Fragestellerin den Beitrag nun treffend mit den Worten: „Das war brillant“, was der Kabarettist bescheiden abschwächte: „Brillanz entsteht in eurem Ohr“.

Vieles war brüllend komisch, regte zum Nachdenken an, hat positive Energie freigesetzt und wird noch länger in den Köpfen der Zuhörer nachhallen. Aber der Aufruf, für die Erdbebenopfer in der Südosttürkei und Syrien zu spenden, brachte das Publikum nach über zwei Stunden allerbester Unterhaltung unprätentiös wieder auf den Boden der Realität zurück.

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