Frau Tupat, 2022 war in vielerlei Hinsicht ein sehr herausforderndes Jahr. Darauf kommen wir auch noch zu sprechen. Aber vielleicht fangen wir mit guten Nachrichten an. Was waren die schönsten Nachrichten 2022?
Birgit Tupat: Definitiv, dass endlich wieder Veranstaltungen stattfinden konnten. Wir haben gerade den Weihnachtsmarkt hinter uns – und der war einfach schön nach zwei Jahren Corona-Pause. Eine weitere gute Nachricht war auf jeden Fall der Förderbescheid für den An- und Umbau des Amtshauses.
Gibt es etwas Kleines, das neu ist und Sie glücklich macht?
Die Ruhebänke an der Lenne. Da kann man wunderbar eine kurze Auszeit genießen.
Und was war die überraschendste Nachricht des Jahres?
Leider keine gute Nachricht: Dass die Lennehalle abgerissen werden muss. Dass es bauliche Mängel gibt, war klar, aber dass es so kommen würde, hätten wir gewiss nicht gedacht.
Wenn Sie einen Orden vergeben dürften für den Verwaltungsmitarbeiter des Jahres, wer würde den bekommen?
Gute Frage, alle hatten dieses Jahr große Herausforderungen zu meistern. Aber ich glaube, Natascha Handschak und Simone Groß hätten ihn definitiv verdient. Sie kümmern sich um die Bauprojekte und die Fördermittelakquise. Ohne die beiden hätten wir dieses Jahr alt ausgesehen.
Da sind wir schon mitten in den großen Herausforderungen 2022. Was würden Sie sagen, waren in diesem Jahr die schwierigsten Aufgaben für Sie als Verwaltungschefin?
Ich würde sagen, da gibt es zwei. Einmal sicherlich die Unterbringung von Flüchtlingen. Dass wir wieder so viele auf einmal bekommen, damit hätten wir auch einfach nicht gerechnet. Aber es im vergangenen Jahr hätte auch kaum einer an Krieg in Europa geglaubt. Das zweite große Problem ist alles im Zusammenhang mit der Energiekrise und Blackout. Wer hätte gedacht, dass wir mal so intensiv über Stabsübungen sprechen und auch das Wort Satellitentelefon gehört 2021 noch nicht zu meinem regelmäßigen Wortschatz.
Sie sind ein bisschen die Abbruch-Bürgermeisterin. Das Amtshaus, die Lennehalle, die Brücke, die Grundschule und das Gartenhallenbad – alles Bauprojekte, die einen so großen Investitionsstau hatten, dass sie kaum noch zu retten waren oder sind. Wie frustrierend ist dieses Image?
Es ist den Menschen einfach schwer zu vermitteln, warum das jetzt alles auf einmal so ist. Natürlich wurden die Gebäude alle regelmäßig überprüft. Aber bei der Lennehalle war es jetzt zum Beispiel so, dass aufgrund des geplanten Neubaus des Feuerwehrgerätehauses genauer nachgesehen wurde. Da wurden Böden und Wände geöffnet und ganz genau untersucht. Da fallen Dinge auf, die man so von Außen nicht direkt sieht. Der Grund dafür sind allerdings Fehler, die schon lange vor meiner Amtszeit gemacht wurden. Dass das nun alles während meiner Tätigkeit aufgedeckt wird, ist natürlich nicht schön. Aber ich kann da nichts zu und muss jetzt zusehen, dass ich es wieder aufgebaut bekomme.
Sind Ihnen die Herausforderungen manchmal zu viel?
Seit meiner Wahl 2012 und meiner Wiederwahl 2018 war jedes Jahr herausfordernd. Das Hallenbad, Corona, Krieg und Energiekrise. Manchmal frage ich mich schon, wie wir noch mehr Herausforderungen händeln sollen. Hier arbeiten 27 Menschen in der gesamten Verwaltung, und die nicht einmal alle mit einer ganzen Stelle. So viele arbeiten in anderen Kommunen in einem Fachbereich. Wir können froh sein, dass hier alle an einem Strang ziehen und jeder auch deutlich mehr macht als er müsste. Sonst würden wir das gar nicht stemmen können.
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Und die Politik? Blockierer oder Unterstützer?
Für die Politik ist es auch nicht leicht. Dieses Jahr war weit weg von Normalität. Ich wünsche mir, dass das Vertrauen in die Verwaltung bleibt und die Vorschläge so mitgetragen werden, damit wir schnell aus der Abwärtsspirale wieder ins Aufbauen kommen.
Gibt es ein Ereignis aus 2022, an das Sie sich auch in 50 Jahren noch erinnern werden?
Ja, die Drohbriefe an mich. Und dieses furchtbare Gefühl, wenn die Polizei das Haus bewacht und dauerhaft Streife fährt. Das war schon beängstigend. Und natürlich Krieg in Europa.
Ist der Schreiber der Drohbriefe inzwischen gefasst?
Es gibt zumindest einen Verdächtigen und ich habe Strafanzeige gestellt. Mehr habe ich davon allerdings auch nicht mehr gehört.
Kommen wir zum Ausblick. Was wird 2023 die größte Herausforderung?
Natürlich weiter die Bauprojekte. Ich hoffe sehr, dass alle Zeitpläne eingehalten werden können. Das geht aber auch nur, wenn wir Baufirmen finden können.
Was wird denn die schönste bauliche Veränderung, die 2023 hoffentlich fertig gestellt wird?
Ich glaube, die Grundschule Wiblingwerde. Dort gibt es nach dem Um- und Neubau viel mehr Platz und sie ist dann auch komplett barrierefrei.
Gibt es eine Schlagzeile, die Sie 2023 gerne lesen würden?
Brückenbau in Nachrodt startet.
Aber das wird ein Wunsch bleiben?
Leider ja. Ich wäre ja schon mit einem Startzeitpunkt zufrieden.
Die Brücke liegt nicht in Ihrem Verantwortungsbereich. Sie können nur zusehen und immer wieder an alle Verantwortlichen appellieren. Wir groß ist der Frust?
Riesig. Ich frage mich, wie lange die Brücke noch hält. Durch die Sperrung der A45 fahren deutlich mehr Lkw darüber. Wenn eine Ablastung kommt, dann wäre das der Super-Gau.
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Was würde eine Ablastung bedeuten?
Erst dürfte kein Schwerlastverkehr mehr drüber. Das wäre für die ganzen Firmen im Lennetal eine absolute Katastrophe. Im nächsten Schritt wäre dann die komplette Sperrung möglich und das wäre das Schlimmste überhaupt. Dann wäre die Gemeinde geteilt. Was machen wir dann beispielsweise mit dem Rettungsdienst?
Eigentlich hängt dieses ganze Projekt ja nur an einem Grundstückseigentümer. Wie frustrierend ist das?
Das ist schon bitter. Es hätte eigentlich anders laufen können, wenn sich alle einig gewesen wären. Natürlich ist es gut, dass es in Deutschland Gesetze gibt. Aber mit der Planungsbürokratie machen wir uns kaputt. Das sieht man ja auch aktuell an der Rahmedetalbrücke. Man kann einfach nicht allen Belangen gerecht werden und alle Eventualitäten ausschließen. Es ist richtig und wichtig, dass es diese Gesetze gibt. Aber wenn daran eine ganze Region kaputt geht, und diese Menschen und Firmen, die von der Straße abhängig sind, überhaupt gar nicht berücksichtigt werden, dann läuft doch etwas falsch. Eigentlich ist es doch ganz einfach: Da stand eine Brücke und da muss auch wieder eine hin. Punkt.
Was sind Ihre Wünsche für 2023?
Das die Politik weiterhin gut und sachlich mit der Verwaltung zusammenarbeitet. Dass sie Bürger mit ihren Problemen zu mir kommen und wissen, dass ich ein offenes Ohr für sie habe und dass die wirtschaftliche Situation für die Bürger und Firmen erträglich bleibt. Die Auswirkungen werden sowohl Firmen als auch Bürger vermutlich erst im März so richtig spüren.
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