Halver. Simon Thienel wird neuer Erster Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Halver. Am 1. Januar 2022 tritt er die Nachfolge von Markus Tempelmann an. Der 41-jährige Schwelmer und gebürtige Bielefelder war zuletzt als Geschäftsführer und Kämmerer des Zweckverbands Südwestfälisches Studieninstitut für kommunale Verwaltung und Verwaltungsakademie für Westfalen tätig. „Ich habe den Zweckverband zusammen mit meiner Mannschaft aus der Überschuldung in die Gewinnzone und hin zu einer modernen Bildungseinrichtung geführt. Die Bereiche Personal und Organisation waren zwangsläufig zusätzlich ganz entscheidende Gebiete, auf denen ich viel Erfahrung mitbringe“, sagt Thienel über sich selbst. Was er über Halver gelernt hat, welche Projekte er in der Stadt im Grünen vorantreiben möchte und noch mehr über den „Neuen“ im Rathaus erfahren Sie im Interview.
Herr Thienel, seit Montag steht fest: Sie werden ab 1. Januar 2022 neuer Erster Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Halver. Wie waren die vergangenen Wochen für Sie?
Die waren sehr intensiv, weil ich neben meiner jetzigen Tätigkeit das Bewerberverfahren durchlaufen und mich sehr intensiv mit Halver beschäftigt habe. Es war in vielerlei Hinsicht eine positive Unruhe und es war aufregend.
Was haben Sie über Halver in dieser Zeit gelernt?
Ich kannte Halver natürlich schon, weil ich aus der Region komme, hier lebe und arbeite. Aber ich habe die vielen aktuellen Projekte kennengelernt, auch die „heißen“ Themen. Und ich war positiv überrascht, was hier durch Politik, Verwaltung und die Bürger auf die Beine gestellt wurde. Das hat mich beeindruckt. Halver hat’s mir schon ein wenig angetan.
Sie treten das Erbe von Markus Tempelmann an. Was ist das für ein Erbe?
Das ist ein Erbe, was man, im übertragenen, sprichwörtlichen Sinne, finanzwirtschaftlich nicht ausschlagen würde. Er hinterlässt in den Bereichen Finanzen, Liegenschaften ein solide bestelltes Feld. Ich habe nicht zuletzt auch als Finanzexperte geschaut, worauf ich mich da einlasse. Da wägt man verschiedene Dinge ab und dazu gehört auch, wie eine Stadt aktuell in diversen Bereichen dasteht. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn man eine Basis übernimmt, auf die man weiter aufbauen kann. Herr Tempelmann hat hier einen brillanten Job gemacht, großen Respekt dafür.
Sie werden in Halver Kämmerer und Beigeordneter. Was ist Ihnen lieber? Wahlbeamter oder Laufbahnbeamter?
In erster Linie ist das eine beamtenrechtliche und kommunalverfassungsrechtliche Frage. Es gibt für beide Varianten gute Argumente, je nach Situation, Organisation und Geschmack. Kommunalverfassungsrechtlich bekleidet der erste Beigeordnete eine herausgehobenere Position, wenn er die Stadt Halver und den Bürgermeister vertritt – auch außerhalb Halvers – das hat natürlich eine gewichtigere Wirkung. Durch den vom Rat übertragenen Aufgabenbereich kann man mit etwas mehr Beinfreiheit und Prokura dem Bürgermeister noch besser gestaltend den Rücken freihalten. Aber trotzdem bleibt der Bürgermeister der Chef der Verwaltung. Man ist als Beigeordneter aber auch Brückenbauer zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft und hat einen größeren Gestaltungsrahmen, der auf dem Papier auch sichtbar ist. Am Ende gilt aber: Entscheidend ist aufm Platz, egal wie die Bezeichnung lautet.
Aus der Politik kam im September bei der Ausschreibungsformulierung die Äußerung, man brauche -Zitat – „keinen zweiten Bürgermeister“.
Das ist völlig richtig. Es gibt nur einen Bürgermeister und das ist Herr Brosch. Die Rollenverteilung ist klar.
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Michael Brosch hat in der Ratssitzung am 20. September gegen die Ausschreibung in Form eines Beigeordneten gestimmt. Wie überzeugen Sie Herrn Brosch davon, dass die Entscheidung des Rates für einen Beigeordneten die richtige war?
Dazu muss man sagen, dass Herr Brosch ja nicht gegen mich, sondern damals gegen die Konzipierung der Stelle gestimmt hat. Und ich bin nach den ersten Begegnungen mit Herrn Brosch positiv gestimmt. Dass er sich auf die Zusammenarbeit mit mir freut, äußert er sicher nicht grundlos und dabei ist es egal, ob Simon Thienel Beigeordneter ist, oder nicht. Wir sind beide Profis, das steht nicht zwischen uns und ich bin optimistisch, dass wir in einem auch menschlich guten Zusammenspiel der Kräfte erfolgreich für Halver agieren werden.
Gibt’s Projekte, die Sie in Halver vorantreiben wollen?
Das Thema Windkraft möchte ich weiter voranbringen. Da wurden ja nun schon die ersten Pflöcke eingerammt. Was mir ganz wichtig ist: Wir müssen als Kleinstadt schauen, dass wir uns nicht überfrachten, dass wir peu à peu zielgerichtet vorgehen. Aber das, was der Rat schon beschlossen hat im Rahmen des Haushalts, dem fühle ich mich verpflichtet; das Wohngebiet Herksiepe Schillerstein beispielsweise und das Gewerbegebiet Leifersberge.
Ich könnte mir zum Beispiel zusätzlich vorstellen, dass wir mehr Einflüsse von außen zulassen und über den Tellerrand gucken. Wenn wir über Wohngebiete und Gewerbegebiete reden, die ökologisch und nachhaltiger sind, sollten wir uns sowas dort anschauen, wo es das schon gibt und mit den Zuständigen in Kontakt treten. Es gibt preisgekrönte Kommunen auf diesem Gebiet, da stimmte die ganze Dynamik. Eine große Bedeutung kommt auch allen Gebieten des Stadtmarketings zu, da werde ich mit den zuständigen Kollegen im Rathaus direkt anfangen, gemeinsame Pläne zu schmieden.
Ich würde gerne mit den Hochschulen in der Gegend zusammenarbeiten. Wir haben eine hervorragende Bildungslandschaft in direkter Nachbarschaft. Dort können wir uns ganz viel Input holen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, Stichwort Wippermann-Gelände. An der Fachhochschule Südwestfalen und an der Uni Siegen gibt es die Studiengänge Nachhaltige Stadtentwicklung, Agrarwirtschaft, Wasserwirtschaft. Man könnte junge Menschen in die Stadt holen für Projekte, die sie im Rahmen des Studiums ausarbeiten und einen Preis ausloben. Das machen andere Städte schon. Das gibt schöne Synergieeffekte. Weiterhin ist mir verwaltungsintern als auch städtebaulich wichtig, dass wir für alle Interessensgruppen Lösungen erarbeiten, mit denen man dem demografischen Wandel begegnet. Genau wie bei der Digitalisierung. Der Wandel wird zum „Normalfall“, da müssen wir für bereit sein.
A propos Nachhaltigkeit: Stehen Sie für Klimaschutz in Halver?
Definitiv, auch schon jetzt. Ich halte nichts davon, auch in punkto Hochwasserschutz, Flächen pauschal ohne nachhaltiges Konzept zu versiegeln. Diese Landschaft hier hat nicht nur einen Markenwert, der Grund und Boden ist neben unserem Image ein gewichtiges Gut, sondern steht auch sinnbildlich für zu schützendes Klima.
Weniger Flächenversiegelung steht aber oftmals in Konkurrenz zu Erweiterungsmöglichkeiten für Unternehmen.
Es geht natürlich um konkurrierende Ziele. Fakt ist zunächst: Wirtschaftsförderung fängt mit guter Bauleitplanung an. Wir haben die Landschaft und Landwirtschaft, wir haben Industrie- und Energiewirtschaft und alles hat sein Gewicht. Es ist eine unglaublich hohe Kunst, das miteinander abzuwägen. Ich bin natürlich nicht ausnahmslos gegen die Versiegelung von Flächen, aber ich finde, wir müssen uns gut überlegen, wo wir das machen und mit welchem Konzept wir das machen. Es geht bei Versiegelung ja auch um Wohnraum. Es geht darum, nachhaltig etwas zu gestalten, neue Konzepte zu erarbeiten. Ein gesundes Gewerbe ist wichtig für die Stadtfinanzen und schafft beziehungsweise erhält Arbeitsplätze. Es gibt aber keine pauschale Lösung.
Prognosen bis 2025 zufolge ist ein ausgeglichener Haushalt – wie Halver ihn 2022 haben wird – deutlich schwerer zu erreichen. Wie gelingt das Vorhaben?
Ein ausgeglichener Haushalt ist in der jetzigen Zeit immer schwer zu erreichen. Hinzu kommt, dass wir Kämmerer sowieso von Natur aus mit gesunder Vorsicht das Zahlenwerk betrachten müssen. Ich habe da natürlich schon erste Ideen, nachdem ich den Haushalt gesichtet habe. Aber konkret kann man dazu erst was sagen, wenn man hinter die Zahlen guckt. Denn dahinter verbergen sich Menschen, Aufgaben, Ressourcen, Prozesse, und konkrete Projekte. Und all die wirken auf den Haushalt. Deshalb ist mein Aufgabengebiet insgesamt auch sehr gut zusammengesetzt. Das eine wirkt auf das andere und bedingt einander. Auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Einwohner und Abgabepflichtigen ist Rücksicht zu nehmen.
Wie werden die ersten Arbeitstage in Halver sein?
Eigentlich bin ich schon mittendrin, zumindest gedanklich. Ich suche auch schon Nachmieter für das Schieferhäuschen. Ich habe mir zudem vorgenommen, Halver sofort noch besser kennenzulernen. Dazu bin ich schon fraktionsübergreifend mit verschiedenen Ratsmitgliedern und Herrn Brosch im Gespräch, die mir ihre wichtigsten Themen und Orte live und in Farbe zeigen sollen. Ich muss die Dinge sehen. Und in den ersten einhundert Arbeitstagen möchte ich Zeit gefunden haben, mich jedem einzelnen der einhundert Verwaltungsmitarbeiter persönlich vorzustellen.
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