Das Versuchskaninchen des Verkehrsministeriums

Bürgermeisterin Birgit Tupat ist sauer: „Wir sind das Versuchskaninchen des Bundesverkehrsministeriums. Alle Welt redet über den Südkreis. Aber was ist mit uns?“ Konkret geht es um das geplante Lkw-Durchfahrtsverbot für Lüdenscheid. Tupat befürchtet schlimme Folgen für Nachrodt – und damit für das gesamte Lennetal.

„Das Ministerium sagt, wir seien keine offizielle Umleitungsstrecke. Aber dass die Realität eine ganz andere ist, weiß hier jeder“, sagte Tupat. Schon jetzt seien jeden Morgen lange Staus im Tal, der Schwerlastverkehr habe enorm zugenommen. Sie will nun alle Hebel in Bewegung setzen und auf die Problematik aufmerksam machen. Gestern gab es eine Videokonferenz mit dem Landrat und den betroffenen Kommunen. Zusätzlich wurde von der Verwaltung noch ein Schreiben vorbereitet, das an alle Behörden und Abgeordneten gesendet werden soll. „Die Ursprungsdefinitionen von Umleitungen sind seit der flächendeckenden Nutzung von Navigationsgeräten hinfällig. Schon alleine aus diesem Grund können wir die Auffassung von Straßen NRW nicht teilen, dass keine Verschiebung auf die B236 zu erwarten ist“, heißt es in dem Schreiben.

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Noch ein größeres Verkehrsaufkommen bestehe in Nachrodt, wenn auf dem Streckenabschnitt zwischen Lüdenscheid-Nord und Hagen etwas passiere. In diesem Fall würde sich der Verkehr durch komplett Nachrodt stauen. „Seit April 2017 leben die Bürgerinnen und Bürger mit der Ampelregelung auf der Lennebrücke und sind täglich Staus und verlängerten Fahrzeiten ausgesetzt. Seit der Sperrung der Rahmedetalbrücke hat das Verkehrsaufkommen noch einmal zugenommen“, heißt es in dem Schreiben weiter. So dauere eine Fahrt von Altena nach Letmathe nun bis zu 45 Minuten. Für eben diese Strecke habe man sonst fünf bis zehn Minuten gebraucht. In diesen Momenten sei es auch nicht mehr möglich, Rettungs- und Hilfsfristen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes auch nur ansatzweise einzuhalten. „Wir als kleine Kommune mit 6.500 Einwohnern haben lediglich eine rein ehrenamtliche Feuerwehr, ohne ständig besetzte Wache. Das heißt, dass bei jedem Feuerwehreinsatz, die Ehrenamtlichen auch erst zum Gerätehaus kommen müssen. Dies ist teilweise jetzt schon nur mit erheblichen Verzögerungen möglich, da die Ehrenamtlichen keine Wegerechte im privaten Kfz geltend machen können“, betont die Verwaltung die aktuelle Problematik.

Erhebliches Risikopotenzial für Lennebrücke

Des Weiteren stellt die Verwaltung in dem Schreiben die Frage, wie lange die marode Lennebrücke der Mehrbelastung standhalten könne oder wann eine weitere Ablastung, sprich weitere Verkehrseinschränkung, erfolgen müsse: „Die Ablastung der Lennebrücke für den Schwerlastverkehr würde die Industrie und die Versorgung der Bevölkerung der Lenneschiene bis nach Lennestadt erheblich treffen.“ Schlimmer noch wäre eine komplette Sperrung. Denn das bedeute, dass Nachrodt in zwei Hälften geschnitten würde. „Die Lenne wäre sodann in Nachrodt-Wiblingwerde nicht mehr überquerbar und es müssten erhebliche Umwege, schon alleine für den Pkw-Verkehr, in Kauf genommen werden. Der Lkw-Verkehr müsste noch großräumiger umgeleitet werden. Der ÖPNV käme zum erliegen und der Schülerverkehr wäre auch nicht mehr möglich“, heißt es in dem Schreiben.

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Einen kleinen Vorgeschmack auf dieses Szenario habe es bereits von April bis August gegeben, als die Felsnase gesprengt worden ist. Damals musste die Industrie durch die Vollsperrung erhebliche Mehraufwendungen und finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. „Wir befürchten in so einem Fall die Abwanderungen der großen Gewerbesteuerzahler in Nachrodt-Wiblingwerde“, mahnt die Verwaltung.

Das noch gar nicht absehbar sei, wann die Lennebrücke schlussendlich neu gebaut wird, ist ein weiteres großes Problem. Fakt sei, dass ein Lkw-Durchfahrtsverbot in Lüdenscheid, die Lüdenscheider Bevölkerung zwar temporär vermutlich entlasten werde, aber die umliegenden Kommunen umso härter treffen würde. Daher fordere Nachrodt-Wiblingwerde ein ganzheitliches Verkehrskonzept, welches auch die direkten Nachbarkommunen betrachte. In dem Schreiben heißt es: „Weiterhin fordern wir eine adäquate Autobahnbeschilderung mit der Anordnung des Durchfahrtsverbotes bereits auf der Autobahn.“

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Außerdem sei eine Experteneinschätzung für die Lennebrücke erforderlich. Es soll untersucht werden, wie lange die Brücke einer solchen Belastung standhalten kann.

Bei dem Schreiben handelt es sich um einen ersten Entwurf, der nun noch mit den Fraktionen und den beiden fraktionslosen Ratsherren abgestimmt wird. So schnell wie möglich soll ein solches Schreiben auf den Weg gebracht werden.

Schon in der Ratssitzung am Montag hatten alle Anwesenden ihre Zustimmung signalisiert. Aus allen Richtungen kam Zuspruch. Petra Triches (UWG) vermisst zudem Unterstützung von den heimischen Abgeordneten: „Wo sind denn unsere Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Die aus dem Südkreis hört man. Aber unsere gar nicht.“

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