„Hallo, kommt herein, schön, dass ihr da seid.“ Mit einem Lächeln empfängt Barbara Böhland die Redakteurinnen. Für das Lächeln ist sie bekannt. Wohl nahezu jeden Wiblingwerder hat sie so schon begüßt. Sei es bei einem Gottesdienst, beim Gemeindefest, einer Taufe, einem Schulgottesdienst oder auch bei einer Beerdigung. Sie war lange Zeit eines der Gesichter der evangelischen Kirchengemeinde in Wiblingwerde. Doch nun, nach 41 Jahren, ist Schluss. Die Küsterin geht in den Ruhestand.
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Leicht fällt ihr der Abschied von „ihrer“ Kirche nicht. Fast ihr ganzes Leben war geprägt von der Kirche und den Menschen darin. Dass sie die Arbeit einmal so erfüllen würde, hatte sie nicht gedacht. Für sie war das Tagwerk einer Küsterin immer mehr als ein Hausmeister-Dasein mit Sonderaufgaben. „Ich habe mich irgendwie immer als das Bodenpersonal vom lieben Gott gesehen“, erzählt sie lachend.
Als sie mit 23 Jahren ihren Dienst antrat, zweifelten viele an ihren Fähigkeiten, wie sollte eine junge, zierliche Frau, das alles schaffen? „Das wusste ich damals selbst nicht so genau. Ich hatte eigentlich gar keine Ahnung, was da auf mich zu kam“, erinnert sich Barbara Böhland. Sie war gerade frisch verheiratet und wohnte mit ihrem Mann Roger in Evingsen. „Ne, das war nichts für mich. Evingsen ist halt nicht Wiblingwerde“, erzählt sie lachend. Ihre Mutter habe ihr damals von der Stelle berichtet. „Sie sagte, ,die Pannen hören auf. Ist das nichts für dich?‘ Und ich habe sofort zugestimmt.“ Sie bewarb sich und stellte bei der Einstellung nur eine Bedingung: Ihre Kinder sollten mit zur Arbeit dürfen. Für die Kirchengemeinde war das kein Problem. Und so trat sie wenig später ihren Dienst an.
Doch was macht eine Küsterin eigentlich? „Alles, was mit Kirche, Gemeindehaus und Gottesdiensten zu tun hat“, erklärt sie. In der Kirche läutete sie die Glocken, bereitete die Kirche für Gottesdienste vor, sorgte für Sauberkeit. Im Gemeindehaus kennt sie ebenfalls jeden Winkel. Sie weiß, wo was steht, hat es unzählige Male gereinigt und für Feste und Veranstaltungen vorbereitet, bediente die große Kaffeemaschine und die Industriespülmaschine und deckte die Tische. „Das war eine meiner Lieblingsaufgaben. Ich mochte es sehr, alles für die Feste schön zu machen und zu dekorieren“, erzählt sie. Aber auch draußen gab es immer jede Menge zu tun: „Im Sommer mussten die Rasenflächen gemäht werden, im Winter wurde Schnee geschippt. Die Beete habe ich bepflanzt, säckeweise Laub entfernt und die Wege gefegt.“ Alleine wäre das vermutlich tatsächlich unmöglich gewesen. Ihr inzwischen verstorbener Mann Roger half ihr. Nach Feierabend, er arbeitete in einem Walzwerk, war die körperliche Arbeit für ihn ein willkommener Ausgleich. Und auch die Kinder waren immer dabei.
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„Es war schon schön. Man kam oft mit den Wiblingwerdern ins Gespräch. Es kam immer mal jemand vorbei, man traf sich im Gottesdienst oder auf den Festen“, erzählt Barbara Böhland. Manche Familien kennt sie schon seit Jahrzehnten. „Ich war dabei als die Kinder getrauft wurden, beim Einschulungsgottesdienst, der Konfirmation, der Hochzeit und jetzt teilweise schon wieder bei der Taufe der Kinder“, berichtet die Küsterin. Und so ist für viele Wiblingwerder mehr als die Küsterin. Sie ist die nette Frau, die immer ein offenes Ohr für alle hat.
In ihrer Zeit hat sie viel erlebt. Hat Pfarrer kommen und gehen sehen, erlebt, wie die Gemeinde sich verändert hat. „Es ist schon anders geworden. Früher, da gab es noch viele von den Mittelalten. Also beispielsweise die Eltern der Konfirmanden kamen mit und blieben später auch noch in der Gemeinde. Irgendwann fehlte diese Generation dann ziemlich.“ Aber auch das Bild von ihrem Beruf hat sich im Lauf der Jahre verändert. In Erinnerung ist Barbara Böhland noch ein Feuerwehrfest zu Beginn ihrer Arbeitszeit: „Ich kam mit meinem Mann dorthin und sofort kam ein Presbyter und schickte uns nach Hause. Schließlich wäre Sonntag wieder Gottesdienst. Wir sind dann damals gegangen. Ich dachte, dass ich sonst vielleicht gekündigt werde.“ Erst Jahre später fragte Pfarrer Gerald Becker, warum die sonst so gesellige Küsterin nie bei Festen im Dorf zu sehen ist. „Er hatte gar kein Verständnis dafür. Schließlich sei ich doch auch ein Gesicht der Gemeinde. Erst da begannen wir wieder damit, hier auf Veranstaltungen zu gehen.“
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Ihre Kinder sind in und um die Kirche groß geworden. Tobten über die Wiesen, während sie das Gras mähte, spielten verstecken in der Kirche während der Altar vorbereitet wurde. „Ich weiß noch, dass meine damals dreijährige Tochter einmal im Schlafanzug im Altarraum stand. Der Pfarrer predigte auf der Kanzel und sie rief in die Kirche: ,Wo ist meine Mama?‘. Sie hatte sich durch die Sakristei eingeschlichen.“ Heute kann Barbara Böhland darüber schmunzeln, damals sei es ihr doch peinlich gewesen – auch wenn es allgemein eher zur Erheiterung beigetragen habe.
Bereits seit einem Jahr ist Barbara Böhland nicht mehr im Dienst. Ein Schlaganfall, von dem sie sich immer noch erholt, riss sie aus dem Berufsleben. Und nun geht sie in Rente. Für ihren Ruhestand hat sich Barbara Böhland noch einiges vorgenommen. Eine Kreuzfahrt ist ihr Traum. Außerdem verbringt sie gerne Zeit mit ihren sieben Enkelkindern und ihrem kleinen Hund Amira. Ein fester Termin im Kalender ist die Tanzstunde mit ihrem Lebensgefährten. Am Sonntag, 25. August, wird sie im Gottesdienst in „ihrer“ Wiblingwerder Kirche aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Der Gottesdienst beginnt um 10.30 Uhr. Im Anschluss sind alle Gottesdienstbesucher zum Kirchcafé ins Gemeindehaus eingeladen, um sich dort noch einmal persönlich von Barbara Böhland verabschieden zu können.
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