Auf dem Holzweg?

Dass bundesweit vor allem der Fichtenbestand in den vergangenen Jahren extrem gelitten hat, weiß jeder, der mit offenen Augen durch die Lande zieht. Davon ist das Sauerland betroffen: Kahlschläge ohne Ende und tote Wälder prägen mittlerweile das Landschaftsbild. Wandern durch ehemals sattgrüne Waldgebiete bereitet so nur noch bedingt Freude und wird oft durch kaum noch begehbare Wege eingeschränkt.

Kierspe/Märkischer Kreis. Der vielfach schlechte Zustand der Wege resultiert meist aus der heutigen Art der „Baumernte“: Mit riesigen Erntemaschinen, „Harvester“ genannt, werden Bäume in wenigen Minuten gefällt, entastet, zurechtgeschnitten und oft zu gigantischen Holzpolter aufgetürmt.

So hat sich auch, laut des Kiersper Försters Uwe Treff, die Waldlandschaft extrem geändert. Der Fachmann hielt vor Kiersper Lokalpolitikern einen langen Vortrag über die „Schäden durch die Holzabfuhr – Käferholz – an Zufahrts- und Waldwegen“.

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Zunächst legte Treff eine Menge Daten vor: Kierspe verfüge über 35 Quadratkilometer Waldfläche, 17 davon seien von Kleinstwaldbauern, die in der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) zusammengefasst sind und für die er zuständig sei; 16 Quadratkilometer gehören Großgrundbesitzern wie etwa dem Wupperverband (um die Kerspetalsperre) oder dem Staat und die zwei verbleibenden Quadratkilometer seien ungebundener Privatwald.

9,8 Quadratkilometer (59 Prozent) des FBG-Waldes bestand aus Fichten, von denen man bis 2018 etwas über 10.000 Festmeter pro Jahr gefällt hat. Jetzt seien bereits 300.000 Festmeter geerntet worden bzw. stehen kurz vor der Fällung. Der hohe Verlust habe sich durch das trockene Jahr 2018 – das wärmste seit Wetteraufzeichnung – und die Folgejahre ergeben. 2019 gab es einen Hitzerekord von 41 Grad, 2020 war das zweitwärmste Jahr (10,4 Grad im Durchschnitt) und diese Trockenheit konnte selbst der Starkregen von letztem Jahr nicht wettmachen. 

So hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel, da den Fichten Wasser bzw. Feuchtigkeit fehlte – etwa auch um das schützende Harz zu bilden. Das Ergebnis kann man unschwer allerorts betrachten: Kahlschläge en masse als Folge von gigantischen Käferzahlen. 

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Allein aus dem Waldbestand der FBG wurden 10.000 Lkw-Ladungen herausgeholt. Das entspricht circa der vierfachen Menge an LKW-Bewegungen. Die Holzabfuhr und vor allem auch der Einsatz der großen Harvester-Maschinen hat zur Folge, dass die Forstwirtschaftswege – gerne auch als Wanderwege genutzt – kaum noch befahr- bzw. begehbar sind.

Seien die städtischen Wege weitestgehend repariert, gebe es immer noch viele Schäden, die zu beseitigen seien. Im Juli 2021 etwa seien durch den Starkregen „die Wege weggeschwommen“ und die 10.000 Euro Hilfe vom Land seien nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, denn „die Schäden sind weitaus größer.“ In Wernscheid, Wienhagen und an der Jubachtalsperre sind die Wege wieder weitestgehend hergestellt und teilweise kostenlos in Stand gesetzt worden.

So gäbe es etwa auch Umschlagplätze für den Asien-Export (auf denen das Holz in Container umgeladen wird), die sich auf Wanderparkplätzen befänden. Außerdem gebe es auch wilde Umschlagplätze, teilweise im Besitz von Straßen.NRW. So seien etwa am Wanderparkplatz Dürener Haus alleine vier Firmen aktiv. Einer der wildesten Plätze sei der an der Volmestraße. „Damit will ich nichts zu tun haben!“, echauffiert sich Uwe Treff.

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Vielen sei auch nicht klar, dass die meisten Wege reine Wirtschaftswege sind, die oft für derlei Abholzung (zur Zeit sind 13 Harvester-Betriebe mit 14 bis 16 Harvestern im Einsatz) schlichtweg nicht geeignet sind. Viele Waldbesitzer zeigen sich genervt, da man schon nach Kyrill 85.000 Festmeter kaum gewinnbringend abgeben musste. Das Resultat: Die nächsten 30 bis 50 Jahre werde man keine Einnahmen erzielen, soll aber in teure Weginstandsetzung investieren. So zeigte man auch nach den drei kurz aufeinander folgenden Stürmen im Februar kein Interesse daran, einzelne Bäume, die mitunter auch über den Wegen lagen, zu entfernen.

Insgesamt gebe es im Kiersper Wald 620.000 Festmeter Holz, die abtransportiert wurden bzw. noch werden. „Das geplante Ende der Abholzung bis Ende März wird nicht klappen. Es wird wohl eher Ende Mai werden,“ sagt der Forstbeamte. Außerdem gebe es keine Pflicht, die Wege instand zu setzen. „Das geschieht auf freiwilliger Basis. Es gibt nur eine Pflicht der Wiederaufforstung innerhalb der nächsten zwei, maximal drei Jahre. So müssen die Waldbesitzer zwar Privatpersonen das Recht zugestehen, dass sie den Wald betreten dürfen, müssen dafür aber keine Wege stellen. So müssen auch verschwundene Wege nicht zwingend wieder hergestellt werden“, so Treff weiter. So gebe es auch für Wanderwege, die etwa vom SGV genutzt werden nur die „moralische Verpflichtung“, diese wieder instand zu setzen.

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Auch sei das Wegerecht manchmal ein Problem und habe auch schon zu Anzeigen geführt, weil ein Waldbesitzer, um zu seinem Land zu kommen, den Weg eines anderen ungefragt genutzt hat oder weil ein Anhänger einfach schlecht abgestellt wurde. Übrigens dürfe man auch ausgewiesene Naturschutzgebiete nur nach Absprache durchfahren.

Auch wenn das Land 30 bis 40 Mio. Euro als Fördergelder für private Waldbesitzer zur Wiederaufforstung zur Verfügung stellt und auch eine Wegebau-Förderung vergibt, müssen dennoch 40 Prozent der entstehenden Kosten von den Waldbesitzern selbst getragen werden.

Dass ein Ende der „Erntezeit“ absehbar ist, wird auch viele Anwohner freuen, da manche Harvester-Firmen auch an Sonn- und Feiertagen durcharbeiten und dadurch auch an Ruhetagen für eine enorme Lärmbelästigung sorgen.

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Was bedeutet das für die Zukunft? – Ein Kommentar

An das veränderte Landschaftsbild ohne großflächige Fichtenwälder werden wir uns gewöhnen müssen, auch wenn viele Waldbesitzer kaum Einsicht zeigen, aus der jahrzehntelangen Monokultur nichts gelernt haben und die Kahlschläge wieder mit Fichten bepflanzen.

Klar: Wer jetzt Laubwald-Schonungen auf seinen Flächen installiert, wird daraus selbst kaum einen Gewinn mehr erzielen können; zu langsam wachsen etwa Eichen und Buchen. Aber vielleicht sollte er Folgegenerationen im Hinterkopf haben und fernab einer relativ kurzfristigen, ertragsorientierten Denkweise eine Kulturlandschaft schaffen, in der sich die Natur frei entfalten kann und Rückzugsgebiete auch für bedrohte Arten der Fauna und Flora darstellen können. Eine Landschaft, die auch Menschen als Ruhepol und Erholungsgebiet dienen kann.

Die Natur reagiert auf die wärmeren Temperaturen: Schon jetzt kann man Arten entdecken, die noch vor 20 Jahren bei uns nicht zu sehen waren oder bestenfalls als Irrgäste galten. So beobachten Ornithologen Silberreiher oder Nilgans als Brutvogel, die eigentlich nur in mediterranen Klimazonen heimisch waren; Schmetterlingsfreunde stellen fest, dass etwa C-Falter – früher eine Seltenheit – heute häufiger sind oder dass der auffällige Kaisermantel – früher nur in Süddeutschland anzutreffen – mittlerweile regelmäßig als Tagfalter anzutreffen ist.

Am stärksten und schnellsten reagiert die Flora: Pionierpflanzen werden die Kahlschläge erobern, auf Weidenröschen und Fingerhut werden Birken- und Espen-Sprösslinge folgen und den braunen Kahlflächen schnell wieder ein grünes, blühendes Kleid verpassen; allemal schöner als das dunkle Fichteneinerlei!

Silberreiher – Foto: Mertens/LokalDirekt
Nilgans – Foto: Mertens/LokalDirekt
Kaisermantel auf Kratzdistel – Foto: Mertens/LokalDirekt
Kaisermantel auf Flockenblume – Foto: Mertens/LokalDirekt
C-Falter – Foto: Mertens/LokalDirekt
Seltsamer Anblick: Nilgans auf Birke – Foto: Mertens/LokalDirekt

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